Kultur

Der letzte Dinosaurier der goldenen Swing-Ära

Was hat ihm mehr Spaß gemacht: Lady Gaga splitterfasernackt auf der Couch zu zeichnen, wie es die Idee von Starfotografin Annie Leibovitz war, oder mit ihr zu singen?

Anthony Dominick Benedetto, besser bekannt als Tony Bennett, und einer der letzten Überlebenden der Ära, die er selbst als "amerikanische Klassik" bezeichnet, legt sich nicht fest, bleibt ganz Gentleman: "Sie hat eine fantastische Stimme. Sie ist eine der besten Sängerinnen, die ich jemals traf."

Das verblüffende Paar hat zuerst ein Cover von "Lady Is A Tramp" für Bennetts "Duets II"-Album aufgenommen.

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Das brandneue Jazz-Album "Cheek to Cheek" (Universal) des exzentrischen Pop-Paradiesvogels, 28, und der Entertainer-Legende, 88, mit den Preziosen des Great American Songbook wie dem Cole-Porter-Klassiker "Anything Goes", "It Don’t Mean A Thing (If It Ain’t Got That Swing)", "Sophisticated Lady" und "Lush Life" landete prompt auf Platz eins der Jazz Billboard Charts. Und die Modekette H & M hat das Duo für ihre Weihnachtskampagne engagiert: Es gibt in deren Outfits ein Adventständchen zum Besten.

"Bei ,Cheek to Cheek’ war mir wichtig, dass es ein richtiges Jazz-Album wird. Also haben wir Neuinterpretationen von Klassikern aufgenommen, die zugleich einen zeitgenössischen Einschlag haben", sagt Bennett im KURIER-Gespräch und erinnert sich, dass er in Wien erst einmal aufgetreten ist. Am 16. 9. ist der Alt-Swinger wieder live in der Wiener Stadthalle. Newsweek ernannte Bennett schon vor 20 Jahren zum "ältesten jungen Popstar der Welt". Für Frank Sinatra war er "der beste Sänger im Showgeschäft".

Doch der spielt seinen Erfolg gern herunter und nimmt die Ovationen, mit denen er überhäuft wird, nicht allzu ernst: "Ich war die Madonna meiner Zeit." Nur habe er seine Kleider anbehalten.

Der Crooner mit dem Signature-Hit "I Left My Heart In San Francisco" machte sich in den 1950er-Jahren mit jazzigen Pop-Balladen einen Namen.

Seine schönsten Aufnahmen belegen sein angeborenes Swing-Feeling und seine hohe Stimmkultur. Bis heute konzentriert er sich – einst der erste weiße Sänger in Count Basie’s Band – auf Kompositionen aus den 1920er- bis 40er-Jahren: Irving Berlin, George Gershwin, Cole Porter ...

"Ich hätte auch gerne einmal mit Louis Armstrong gesungen", erzählt Bennett. "Aber dazu kam es leider nie. Er wäre mein Lieblingsstar gewesen, denn er hat den echten amerikanischen Stil erfunden: den Swing, den Scat-Gesang, die Improvisation."

Kompromisslos

Bennett mag als ein Relikt der goldenen Jazz-Ära melodische und harmonische Musik, die leicht zu verstehen ist. Was man nicht schnell vergisst. Langlebige Musik mit viel Gefühl und Seele.

Seit mehr als 65 Jahren steht er auf der Bühne. Was ist sein Erfolgsgeheimnis?

"Duke Ellington sagte zu mir: Regel Nummer eins – höre niemals auf. Und Regel Nummer zwei – befolge Regel Nummer eins. Ich bin mir immer treu geblieben und habe Leute gemieden, die mich verändern wollten. Ich habe keine Kompromisse, sondern nur gute Musik gemacht."

Amy Winehouse

Bennett war der Letzte, der mit Amy Winehouse gesungen hat. Wie war die gemeinsame Arbeit wenige Monate vor ihrem Tod?

"Als sie ins Studio kam, hat sie alles richtig gemacht. Sie war so gut wie Ella Fitzgerald oder Billie Holiday – mit der gleichen Kreativität, mit der richtigen Intonation und sicherem Instinkt", sagt Bennett. "Ich war sehr beeindruckt. Sie war besser als alle anderen."

Das spüre man auch bei der gemeinsamen Aufnahme: "Body and Soul" ist eine Art Nationalhymne für alle Jazzsänger, der Lieblingssong von allen. Bennett: "Deshalb habe ich ihn für sie ausgewählt. Sie hat ihn wunderschön gesungen. Es ist traurig, dass sie kurz danach starb, ich hätte gerne ein ganzes Album mit ihr gemacht."

Bennett möchte gerne beweisen, "dass man mit dem Alter immer besser werden kann." Mit dem Singen aufhören? "Niemals!" Da hält er es mit dem von ihm bewunderten japanischen Holzschnitt-Künstler Hokusai, der im Greisenalter gesagt haben soll: "Ich beginne jetzt, malen zu lernen."

"Auch ich habe noch viel zu lernen", sagt Bennett. "Jeden Tag beschäftige ich mich mit neuen Dingen und sauge alles auf wie ein Schwamm."

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