Kultur

Thees Uhlmann: "Ich lehne es ab, reflektiert zu sein"

Mit norddeutscher Zurückhaltung kann Thees Uhlmann gar nicht viel anfangen. Der 39-Jährige redet gerne und viel. Davon konnte sich auch der KURIER im Interview zum zweiten Solo-Album des Hamburgers überzeugen.

Auch in seinen Songtexten spart der sympathische Hamburger (der eigentlich aus dem kleinen Nest Hemmor stammt) kein Thema aus. In Tomte-Zeiten besang er schon mal seine Lieblingsband, alltägliche Dinge wie Alkohol ("Korn und Sprite") oder "Den Namen deiner Mutter". Das änderte sich auch mit seinem Solo-Debüt vor zwei Jahren nicht. Thees Uhlmann überzeugte Kritiker wie Fans mit Texten über das "Mädchen von Kasse 2" und solide gemachtem Indie-Rock. Mit der Single-Auskopplung "Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf" stellte er sogar den Erfolg von Tomte ein.

Eine Überraschung, wie er in Interviews immer wieder betonte. Denn eigentlich wäre das Soloprojekt nur als Lückenfüller gedacht gewesen. Wie es jetzt mit "#2" doch zum nächsten Soloalbum kam? Geplant war das jedenfalls nicht. "Ich lehne es ab, reflektiert zu sein", grinst Uhlmann im Interview mit dem KURIER. "Ich habe Tomte 18 Jahre lang gemacht und irgendwann habe ich mir halt gedacht: So, jetzt reicht’s erstmal. Jetzt machst du eine Solo-Platte."

Leichtigkeit

Als er dann seine neue Band zusammen hatte, merkte er "Hey, es macht Spaß einfach nicht mehr über sich selbst zu singen mit vier verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, sondern: 'An der Tankstelle steht ein Mercedes und ich bin verliebt in das Mädchen auf dem Beifahrersitz.' Einfach so. Da kannst du dir dann natürlich auch noch überlegen was das bedeutet und was nicht, ist einfach nur so ein blöder Satz. Und das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich das einfach nochmal machen wollte. Einfach so."

Thematisch wollte sich Uhlmann diesmal aber aus seiner Komfortzone aus "bisschen traurig, bisschen Bier, bisschen durch die Straßen latschen, Thees-Uhlmann-Text eben" bewegen. Die "sportliche Aufgabenstellung" von Produzenten Thomas Kuhn, mit dem er auch schon sein Solo-Debüt aufgenommen hat: Ein Song über und ein Song gegen die Liebe. Den Rest musste Uhlmann anderweitig füllen. Uhlmanns Antwort: "Okay, dann mache ich jetzt etwas ganz anderes: Dann singe ich jetzt ein Lied über Krieg".

Vor der Haustür

Wie er auf das Thema gekommen ist? Uhlmann wird ernster: "Wie immer durch Erfahrungen aus meiner eigenen Biografie. Ein Kumpel von mir war vor vier Jahren in Syrien. Und kam zurück und sagte: Alle müssen nach Syrien. Das ist das schönste Land auf der ganzen Welt. Das sind die besten Menschen auf der ganzen Welt. Sechs Monate später fangen die Leute dort an, sich im ganz großen Stil abzumetzeln. Da werden sich Leute umgebracht haben, die nebeneinander gewohnt haben. Dadurch ist mir bewusst geworden."

Einfach nur ein Lied gegen den Krieg zu schreiben, wäre Uhlmann aber "zu dumm" gewesen. Schließlich wisse jeder, dass Krieg schlecht ist. Da brauche es keinen Uhlmann, der mit erhobenem Zeigefinger dasteht. In die "Bomben meiner Stadt" singt er deshalb von der "Apokalypse" in seiner hanseatischen Heimatstadt. "Weil ich mich da auskenne. Und weil das relativ gaga ist. Ich meine, einen Krieg in Nordniedersachsen kann man sich ja nicht vorstellen. Aber gerade dadurch kommt es einem näher vor. Ich meine, stell dir mal vor die Leute im Burgenland gehen auf die Leute in Kärnten los. Eben. Aber genau weil das so gaga, so nah ist, ist das nicht moralisierend."

Erste Single: "Am 7. März"

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Quengler

Seiner alten Liebe Wien ("Hier wurde damals erstmals ein Song von Tomte im Radio gespielt. Wir haben uns gefühlt wie Rockstars") hat Uhlmann ein eigenes Lied gewidmet. Der Spruch "Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht)" am alten Flak-Turm im sechsten Wiener Gemeindebezirk diente ihm als Inspiration für das gleichnamige Stück. "Außerdem habe ich gedacht, dass es eine gute Geste ist, wenn jemand aus Norddeutschland einen Song für Österreich schreibt", denn Deutsche, habe er gehört, sollen sich hierzulande ja "ein wenig rüde und hochnäsig aufführen."

Neben seiner neu entdeckten Tätigkeit als Völkerverständiger ist Thees Uhlmann seit 2002 auch Boss seines eigenen Independent-Labels "Grand Hotel van Cleef" und muss sich auch ganz profanen Fragen wie der Vermarktung und dem Vertrieb von Musik widmen. Auf die von Thom Yorke (Radiohead) geäußerte Kritik an Musikstreamingdiensten wie Spotify, die es jungen Bands unmöglich machen würden, mit ihrer Musik auch Geld zu verdienen, angesprochen, hält sich Uhlmann erstmals etwas zurück. "Quengelnde Millionäre sind ja immer so ein zweischneidiges Schwert." Dass sich die GEMA in Deutschland mit Google anlegt, findet er jedenfalls "sportlich".

Viel Wurst

Und welche Band kennt er umgekehrt aus Österreich, die es wert sei, auch auf Spotify entdeckt zu werden? "Ich habe kürzlich 'Koenig Leopold' gesehen – und ich glaube das ist ein Welthit. Also zumindest in meiner Welt ist das ein Welthit. Und auch Lady Gaga muss das einfach lieben. Das ist halt mega Österreich, mega durchgedreht. Und mit mega viel Wurst drin. Und da sind wir ja schon dabei, was die Österreicher auszeichnet. Ich als Norddeutscher empfinde die Österreicher als mega verrückt. Die sind einfach sehr exaltiert und ein bisschen anders. Und das finde ich so super."

Am 3. September wird Thees Uhlmann sein neues Album in einer FM4 Radio Session im Radiokulturhaus vorstellen. Beginn: 19.00 Uhr. Weitere Infos gibt's hier.

Mit seiner Punk-Band Tomte sorgte Thees Uhlmann Ende der 90er-Jahre für frischen Wind in der deutschen Indie-Szene. "Buchstaben über der Stadt", das vierte Album der Band aus Hamburg erreichte Platz vier der deutschen Albumcharts. Nach zahlreichen Besetzungswechseln pausiert Tomte und der 39-jährige Frontmann ist seit zwei Jahren solo unterwegs.

Für das nun erscheinende zweite Album arbeitete Uhlmann mit Produzenten und Songwriter Tobias Kuhn in Los Angeles zusammen. Gemeinsam mit Marcus Wiebusch und Reimer Bustorff betreibt er das Label Grand Hotel van Cleef.