Tao Lin: Wahrheitssuche mit "Zauberpilzen"
Von Peter Pisa
Was", hat ein asiatischer Journalist den Amerikaner Tao Lin, dessen Eltern Taiwanesen sind, gefragt, "was hat Sie zu diesem Roman inspiriert?"
"Nichts."
"Nichts?"
"Nichts. Ich musste einfach etwas tun. Ich wollte nicht länger bloß herumsitzen." So geht das also.
Und der 30-jährige Tao Lin schrieb autobiografisch übers Herumsitzen eines jungen Schriftstellers namens Paul auf Künstlerpartys in New York bzw. übers Herumliegen daheim im Bett mit dem MacBook, außerdem über alle Arten von Tabletten und halluzinogenen Pilzen, die er gemeinsam mit Freunden und wechselnden Freundinnen einwirft ...
Die meisten Kritiker in den USA nannten "Taipeh" ein Meisterwerk der jungen Generation.
In Frankreich wurde der Autor mit Ernest Hemingway verglichen.
Das hat ihn allerdings selbst sehr überrascht.
"Taipeh" klagt das moderne Leben an, indem eine große Leere ausgestrahlt wird.
Und feiert gleichzeitig das Leben, indem es die emotionale Wüste vorübergehend verlässt und zu den Wurzeln des Autors, nach Taiwan zu den Eltern, zurückgeht.
Außerdem – Seite 148 – ist "der Drang, mich umzubringen, nicht so stark, dass ich mich tatsächlich umbringe." So Paul. Folglich sei das Leben lebenswert.
Keine Ahnung
Paul fühlt sich entfremdet, isoliert. Verwaist "wie alle Menschen in eingangslosen Höhlen ihrer selbst von Beginn an und für alle Zeit."
Wahrheit sucht er. Aufrichtigkeit. Und macht stellvertretend einen Irrweg durch, auf dem dauernd gegessen wird und oft die von so vielen Eltern heiß geliebte Floskel "Keine Ahnung" fällt. Alles wurscht.
Abwechselnd mit "Ich weiß nicht, ob ich will" und "Ich weiß wirklich nicht, was ich machen will".
Während man sich zu fragen beginnt, ob man sich diese wie eine Meditation beschriebene Stumpfsinnigkeit überhaupt antun will, zeigt Tao Lin, zu welchen Einsichten er – wegen der "Zauberpilze"? – in der Lage ist. Und welche Literatur von ihm vielleicht noch zu erwarten ist.
Wenn er von einer fünften Jahreszeit schreibt, die wie ein Rechteck aussieht und nichts einschließt ... dann ist er den schöpferischen Freiheiten des 31-jährigen Grazer Schriftsteller Clemens J. Setz ("Indigo") nah.
Ist "Taipeh" ein Buch für Kritiker? Es ist, was es ist, sagt das Buch – darauf gefasst, in die Ecke geschmissen zu werden.
KURIER-Wertung:
Tao Lin: „Taipeh“ Übersetzt von Stephan Kleiner. DuMont Verlag. 288 Seiten. 20,60 Euro.