Steinway Flügel: Spielend souverän
Von Bernhard Praschl
Für Detlef Reißig ist es eine klare Sache. „Wenn ich heute etwas leime, das in fünf Jahren noch hält, passt es auch in hundert Jahren“, verspricht der Klavierbauer. Ist so. Wie keine zweite Manufaktur auf der Welt steht der Name Steinway für Präzision und Perfektion.
Muss ja auch sein. Ein Konzertflügel mit dem goldfarbenen Schriftzug über der Tastatur setzt sich aus 12.000 Teilen zusammen – vom Außenrahmen über den Resonanzboden bis zu den Pedalen. Zum Vergleich: Ein Auto hat weniger. Und damit die „Stradivari der Flügel“ auch ihr Geld wert ist – ein Steinway kostet immerhin bis zu 150.000 Euro –, geben in der Hamburger Fabrik Hunderte Fachkräfte alles, um dem Motto des Firmengründers zu entsprechen: „Das bestmögliche Klavier der Welt bauen.“
Das war Henry E. Steinways Anspruch, als er 1853 in New York für sein Instrument warb. Drei Jahre zuvor hatte er als Heinrich Engelhard Steinweg Deutschland Ade gesagt, um in Amerika das Glück zu suchen. Es dauerte nicht lange, bis die besten Pianisten den speziellen Ruf dieser „Königin der Musikinstrumente“ in die Welt hinaustrugen. Nicht einmal fünfzig Jahre nach der Gründung präsentierte Steinway den hunderttausendsten Flügel. Er war ein Geschenk für den damaligen US-Präsidenten Theodore Roosevelt sowie eine großartige Werbung für das Unternehmen.
Mehr noch aber zählte das Vertrauen der besten Pianisten. Legenden wie Sergej Rachmaninow und Arthur Rubinstein konzertierten auf Steinway. Dann folgten Meister wie Duke Ellington oder der polnische Komponist Ignacy Jan Paderewski, der auf einer US-Tour in den Jahren 1891 und 1892 insgesamt 107 Konzerte in 117 Tagen auf und für Steinway absolvierte.
Sein erstes Klavier hatte Heinrich Steinweg 1836 in einer ehemaligen Waschküche zusammengezimmert. In den beiden großen Steinway-Fabriken in Hamburg und New York dominiert nach wie vor die Handarbeit. Nur wenn es darum geht, Löcher in die 150 Kilo schwere Gussplatte zu bohren, unterstützen computergesteuerte Maschinen Fachkräfte wie Detlef Reißig.
Konkurrenz gibt es, natürlich, aber Steinway ist eines der wenigen Unternehmen, das seinen einzigartigen Ruf mit nur einem Produkt im Portfolio hoch hält.
Bei einem Rundgang durch das deutsche Standbein in der 1880 gegründeten, fünfgeschoßigen Hamburger Fabrik fällt auf, wie viel Arbeit und Erfahrung in dem Traditionsprodukt steckt. Und wie viel Geduld. Allein die ausgewählten, wertvollen Hölzer müssen nebenan in einer eigenen Halle bis zu zwei Jahre lagern, um ihre Steinway-Tauglichkeit zu erhalten.
Wir gelangen in die Abteilung, in der Steinway-Mitarbeiter Claus Samann einen passenden Resonanzboden, „die Seele des Instruments“, auswählt, um zu erfahren, dass es noch Monate dauern wird, bis rund um exakt diesen Boden ein komplettes Klavier aufgebaut ist.
Hochzeit ist
Ein entscheidender Schritt ist gemacht, sobald der Resonanzboden samt Gussplatte in den Rim, das Klaviergehäuse, gefügt werden. „Hochzeit“ nennt man diesen Vorgang, sagt Detlef Reißig, der seit über dreißig Jahren in der Rimbiegerei tätig ist. „Ab dem Moment sind diese Teile für immer miteinander verbunden, eine Trennung ist undenkbar.“ Apropos, für das angenehme Betriebsklima bei Steinway spricht, dass 416 Mitarbeiter in der Hamburger Filiale bereits seit mehr als 25 Jahren im Klavierbau beschäftigt sind.
In der obersten Etage befindet sich der „Auswahlraum“, zu dem nur Stars wie Barenboim und Buchbinder sowie Leiter von Musikschulen Zutritt haben. Hier warten in zwei Reihen gut zwanzig Flügel darauf, angetestet zu werden. Selbst wenn es nur Nuancen sind, die sie unterscheiden, gleicht klanglich kein Flügel dem anderen.
Wie auch immer, irgendjemand hört ganz genau hin, ob das fertige, bis zu 500 Kilo schwere Kunstwerk auch jenen klaren und kraftvollen Ton hervorbringt, der Steinway zu diesem Mythos macht.
Wiebke Sticht den Steinway-Klang
Wiebke Wunstorf hat diesen Job über.
Seit fünf Jahren geht jedes Instrument, das die Hamburger Manufaktur verlässt, durch ihre Hände – und durch ihre Ohren. Mit einer „Intoniernadel“ rückt sie dem Filz am Hammerkopf zu Leibe. Immer und immer wieder. Taste für Taste. Ganze 88-mal. Frau Wunstorf „sticht“ quasi den Klang, nur nicht zu viel, denn dann ist er weg. Und die Prozedur beginnt von vorne. Das kann sich ziehen. Dafür hat dann auch jeder Steinway-Besitzer, der von Hamburg aus beliefert wird – New York versorgt ganz Amerika, den Rest hat Hamburg über – ein Stück von ihr in seinem Klavier. Die Chefintoneurin hinterlässt nämlich hinter jeder Klaviatur einen Backenklotz mit Signatur – „WW“. Manche, die darauf stoßen, sagen auch „WeltWunder“ dazu. Und das trifft ja auf einen Steinway auch irgendwie zu.
Steinway Spirio: Die größte Klavier-Innovation der letzten 70 Jahre. Stellen Sie sich vor, Lang Lang greift bei Ihnen zu Hause in die Tasten. Oder der aufregende neue Klassik-Star Yuja Wang gibt Art Tatums „Tea for two“ zum Besten. Für Sie ganz persönlich und fast leibhaftig.