Kultur

Statt der Polizei kommt ein Fensterputzer

Dieses Buch wird seine Leser verfolgen.

Kann sein, dass es nur das Bild einer Eidechse in einer Flasche ist, das im Kopf picken bleibt: Als Baby kam sie hinein und ist zu groß, um flüchten zu können.

Irgendwann fallen die Knöchelchen heraus.

Oder das Loch in einer Höhle, in das der Mist geworfen wird, aber auch ein kleiner, roter Hund, dem der Schädel zertrümmert wurde, einfach so zertrümmert. Und ein Mensch verschwindet ...

Der Erzähler spricht über sein Trauma:

Neun war er. Man sieht den Buben, wie er vom Berg ins Dorf an der Brücke hinunterläuft. Er weint, die Leute warten unten schon auf ihn, er stammelt: Die Mutter habe den Vater umgebracht. Oder der Vater die Mutter?

Das ist der Beginn.

Das klingt tatsächlich noch am Normalsten.

Nach dem Krieg

Erfährt man, dass dieser Vater Schlüssel erzeugt, mit denen man die Wünsche der Kunden öffnen kann – also gutes Wetter machen, Liebe bringen, für Verletzungen sorgen ... dann wird es fantastisch. Dann wird es – vielleicht – so fantastisch, wie die Welt für ein Kind aussieht.

Man kennt sich nicht genau aus, soll es auch nicht, soll ständig Kleinigkeiten entdecken und zu enträtselt versuchen. Es war Krieg, das gewiss. Im Dorf sind Häuser mit Stacheldraht gesichert, und Maschinen liegen zerstört auf dem Boden. Es gibt Abscheuvögel und Giraffenfleisch. In Ruinen wohnen Waisenkinder.

Es wird kein Polizist im einsamen Haus auf dem Berg nach dem Rechten sehen, sondern ein Fensterputzer.

Der Vater wird sagen, die Mutter sei fortgegangen, ans Meer. Der Bub wird bei ihm bleiben müssen. Bis ein Volkszähler mit Krawatte und Gewehr am Berg erscheint, "Dieser Volkszähler" nimmt seinen Auftrag ernst. Und sucht. Und steigt ins Loch.

So mörderisch ist der Roman, und so ruhig und elegant macht’s der Londoner Schriftsteller und linke Politiker China Miéville. Genau das soll das Bücherjahr 2017 auszeichnen: Entdeckungen.


China Miéville:
„Dieser Volkszähler“
Übersetzt von Peter Torberg. Liebeskind Verlag. 176 Seiten. 18,60 Euro.

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern