Stardirigent Kurt Masur ist tot
„Ohne Musik kann ich nicht leben!“, sagte er einmal. Er hat 30 Jahre lang das berühmte Gewandhausorchester in Leipzig geleitet, den für das Ensemble typischen deutschen, dunklen Klang bewahrt, „und in der Zeit“, so sagte er einmal, „fast 500 verschiedene Werke dirigiert“. Neben seiner musikalischen Arbeit war der Klassik-Star auch für sein politisches Engagement bekannt.
Wende 1989
Am 9. Oktober 1989 war er – als „Politiker wider Willen“ – einer der sechs prominenten Leipziger, die den Aufruf „Keine Gewalt!“ verfassten und auf diese Weise mit dafür sorgten, dass die Wende zur Demokratie in der DDR friedlich verlief.
Das sicherte ihm Sympathien in Ost wie West. Am Samstag ist Kurt Masur, der 2012 öffentlich gemacht hatte, dass er unter Parkinson litt, im Alter von 88 Jahren im US-Staat Connecticut gestorben.
Nach einem Autounfall 1972 konnte er zunächst keinen Taktstock mehr halten. Also dirigierte er ohne und „wurde vom Orchester viel besser verstanden“, beteuerte er. „Manchmal verführt der Taktstock, das Orchester wie Sklaven zu behandeln.“
Nach der Wende mutierte Masur vom „Kapellmeister“, für ihn ein Ehrentitel, zum Global Player: 1991 bis 2002 wirkte der gebürtige Schlesier auch als Chefdirigent des New York Philharmonic Orchestra, 2000 bis 2007 als Musikdirektor des London Philharmonic Orchestra und 2002 bis 2008 auch als Leiter des Orchestre National de France in Paris. Er kritisierte, dass an den Schulen die klassische Musikerziehung als lästige Beigabe gestrichen wurde: „Die Kinder und Jugendlichen wachsen mit TV-Unruhe und Popmusik auf. Aber das ist nicht die Musik, um über den Sinn des Lebens nachzudenken. Klassik ist unbequem, weil man mit ihr in die eigene Seele hineinhören kann.“
Als sein „vielleicht einschneidendstes Erlebnis“ in seiner langen Künstler-Karriere bezeichnete Masur das Konzert nach dem Terrorangriff vom 11. September 2001 in New York: „Wir haben das Brahms-Requiem aufgeführt und darum gebeten, dass am Schluss nicht applaudiert wird. Es war eine Stille, die ich nie vergessen werde. Ein Kritiker schrieb: ,Wir haben Masur manchmal belächelt, wenn er sagte, dass Musik heilen kann. An diesem Abend hat keiner mehr gelächelt.’“
„Erfülltes Gefühl“
Nach mehreren Stürzen und einer Hüftoperation erholte er sich nur langsam und dirigierte danach vom Rollstuhl. Denn ans Aufhören dachte er nicht: „Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass man als Dirigent vor einem Orchester ein unerhört erfülltes Gefühl des eigenen Lebens hat. Wer irgend kann, versucht sich dieses Gefühl zu bewahren.“
Das Star-Image widerstrebte ihm. Dass er als „Karajan des Ostens“ galt, „war eigentlich ein Witz“. Aber gestört hat es ihn nicht: „Vor allem, weil ich selber viel von Karajan gehalten habe.“
Seit 1976 war Masur mit der japanischen Sopranistin Tomoko Sakurai verheiratet. Er hatte fünf Kinder aus drei Ehen.