Star der Woche: BEYONCÉ
Von Andreas Bovelino
Mit ihrer aktuellen CD "Lemonade" zeigt Beyonce, wie man auch im marktbeherrschenden Mainstream absolut spannende Musik machen kann. Chapeau! In „Don’t Hurt Yourself“ holt sie gemeinsam mit Jack White Soul und Rock auf den hippen Tanzboden, und zwar richtig cool. Mit "Formation" hat sie tatsächlich die USA erschüttert, Songs wie "6 Inch", "Freedom" mit Kendrick Lamar oder "Forward" mit James Blake sind ganz einfach perfekte Tracks am Puls der Zeit. Natürlich auch, weil Ms Knowles weiß, mit wem es sich gerade lohnt, zusammenzuarbeiten...
Wie etwa beim ultimativen Sommer-Hit "Hold Up". Da waren neben Hit-Producer Diplo unter anderem die Indierocker Ezra Koenig (Vampire Weekend), Nick Zinner und Karen O (beide Yeah Yeah Yeahs) mit am Werk. Und neine, das superlässige Video dazu gibt's hier leider nicht zu sehen, weil es wie die ganze CD und der dazügehörige Film bei der Firma ihres Geschäftspartners und Angetrauten Jay Z erschienen ist. Und so schnell kann man es gar nicht bei YouTube hochladen, wie seine Agenten es wieder herunterlöschen. Wer sehen und hören will, muss zahlen - so läuft's bei J&B.
Und das rechnet sich. Der Song geht auch kostenpflichtig durch die Decke. Nicht nur, weil er richtig gut ist. Zur Qualität kommt auch das prickelnde Gefühl dabeizusein, wenn gerade sexy Schmutzwäsche gewaschen wird. Singt sie da nicht von Jay Z, wenn sie meint, sie könne seine "Lügen riechen", wenn er früh morgens zu ihr ins Bett krabbelt? Ha, er betrügt sie also wirklich, wir wussten's ja spätestens seit dem Aufzugsboxkampf zwischen Jay und Beyonces Schwester (wo ist die eigentlich? Ruhiggestellt?).
Hallo! Sie hat die Scheibe auf seinem Label herausgebracht. Würde Beyonce etwa wollen, dass Jay mit ihren Anschuldigungen auch noch Geld verdient? Na also. Wir sollten nicht den Ich-Erzähler einer Story mit dem Autor verwechseln. Was man bei Musikern merkwürdigerweise beinahe automatisch tut. Er/sie ist verliebt, traurig, zornig, unglücklich, denkt an Selbstmord und Bob Marley hat einmal einen Gesetzeshüter erschossen. Eher nicht. Wobei es natürlich durch der Kürze und relative Spontanität der Kunstform Popsong, verbunden mit der auch für den Ausführenden hochemotionalen Kraft der Kombination aus Text und Musik schon vorkommen kann, dass mehr persönliches einfließt als, sagen wir mal, bei Mr. Martin, dem Autor von Game of Thrones, der jahrelang an seinen Geschichten bastelt. Und ein bissl was von der eigenen Persönlichkeit fließt natürlich in jede Story ein. Man muss sich die Situation ja immerhin bildlich vorstellen können. Das geht schon besser, wenn man auch was erlebt hat, wie wir von Marcel Proust oder John Updike wissen...
Wie auch immer: Die Scheibe ist großartig, das "Hold Up"-Video auch - und was die Sache mit dem Plagiatsvorwurf wegen der Aktion der Schweizer Performancekünstlerin Pipilotti Rist soll, versteh ich nicht. Darf jetzt niemand mehr mit dem Baseball-Schläger ein Auto zerdeppern? Da werden die Hollywood-Homies aber traurig sein. Oder dürfen nur Frauen nicht mehr? Merkwürdige Sache. Die wohl bald wieder einschlafen wird. Zu Recht.
POP/ROCK
HITNRUN PHASE TWO
PRINCE
Das letzte Tondokument des größten Popmusikers der vergangenen drei Jahrzehnte gibt’s jetzt auch als CD. Ursprünglich hatte Prince es nur digital veröffentlicht. Wie so vieles, sein Output wurde in diesem Jahrtausend doch etwas unüber- sichtlich. Geniestreiche, Fingerübungen, Genrespielereien. Auf „Hitnrun“ scheute Prince auch vor Nashville-Rock’n’Roll nicht zurück („Rocknroll Loveaffair“), findet zu einem smoothen Middle-of-the-Road-Stampfer nach- denkliche Worte zu aktuellen Konflikten („Baltimore“). Und dann ist da natürlich immer seine einzigartige Gitarre ... Es ist ein wirklich hübsches Poprockalbum geworden. Nicht mehr und nicht weniger. Als letztes Statement war es ja nie gedacht … (UMI)
HIP-HOP
VIEWS
DRAKE
Nach einigem Hin und Her überrascht der zweitbeste Rapper der Welt nun doch mit einer neuen CD. Und sie ist gut, keine Frage. Drake verbindet seinen R'n'B-Sound unglaublich gekonnt mit Dancehall und Afrobeats, lässt auch bei einer Überlänge von 20 Songs kaum nach und nur ganz selten stellt sich Monotonie ein. Er ist handwerklich perfekt, elegant und bietet mit „Too Good“ (feat. Rihanna) einen der besten Songs des Frühjahrs, mit „ Grammys“ und „Pop Style“ und „One Dance“ echte Highlights. Was ihn aber von seinem ewigen Rivalen Lamar unterscheidet, ist die Dringlichkeit, mit der dieser zu Werke geht. Die beinahe spürbare Energie in jeder Silbe. Sie findet man beim Kanadier nicht. (Universal)
SONGWRITER
CALL IT WHAT IT IS
BEN HARPER & THE INNOCENT CRIMINALS
Acht Jahre lang machte der großartige Gitarrero und Sänger keine Musik mit seiner Stamm-Band. Gut, für seine Nebenprojekte gab’s einen Grammy und allerhand andere Auszeichnungen – aber vermisst haben wir die „Innocents“ doch ein bissl. Jetzt geht’s wieder los! Harper und seine Jungs melden sich gleich mit einem satten Stadionrockriff zurück („When Sex Was Dirty“). Danach schlägt er sanftere Töne an – dafür umso kritischere. Zwei Mal wurde Ben Harper selbst schon Opfer von Polizeigewalt, im Titelsong nennt er die rassistischen Übergriffe der Exekutive in den USA beim Namen: Mord. (Caroline)
HIP-HOP
NICHTS DAGEGEN, ABER ...
TEXTA
„Na!“, sagt Huckey gleich mal entschieden beim Album-Opener „Ois ok Mama“. Weil eben nicht alles okay ist und die Linzer Hip-Hopper seit 23 Jahren nicht davor zurückschrecken „Nein“ zu sagen. Daran hat sich auch nach dem Abgang von Skero, dem vielleicht bekanntesten Mitglied der Gang, nichts geändert. Auch der Schmäh ist den restlichen Textas nicht abhanden gekommen, sehr gelungen im denglischen „Das Game“, bei dem auch der Groove phänomenal ist. Die Samples kommen diesmal ausnahmslos von österreichischen Releases, sogar von der EAV ist was dabei. „Das war echt furchtbar“, erinnert sich Huckey an die Arbeit mit dem Originalsound. (Tonträger)
BEYONCE: Hold Up – Die Queen schlägt wieder zu. Bissiger Text, unwiderstehlicher Sommersong – und the sexiest voice on the planet.
ILOVEMAKONNEN: Can’t Let It Go
M83 FEAT. MAI LAN & STEVE VAI: Go!
FRIGHTENED RABBIT: Get Out
KOMPOST3 & MIRA LU KOVAC: Anthem
ELLIPHANT & DAVE SITEK: Living Life Golden
RADIOHEAD: Burn The Witch
ALICIA KEYS: In Common
DRAKE & RIHANNA: Too Good (hat leider dieselben emsigen Löschkräfte am Werk wie Freundin Beyonce...)
BRIAN ENO: Fickle Sun (iii) I’m Set Free