Kultur

Slash: Die Virtuosität unter dem Zylinder

Guten Abend Wien", schreit Myles Kennedy in schönstem Deutsch. Es ist Mittwochabend und der Sänger, sein Boss Slash und die Conspirators-Band haben in der Wiener Stadthalle mit "Night Train" schon als zweiten Song einen Hit von Guns N’ Roses ausgepackt.

Aber das ist nicht der einzige Grund, warum das Publikum jetzt schon jubelt. Es ist vielmehr die ausgelassene Stimmung, die der 49-Jährige Gitarrist sofort verbreitet. Ja, der Sound könnte besser sein. Aber gleich im Opener "You’re A Lie" hat er ein erstes Solo platziert und damit gezeigt, warum man ihn Saiten-Zauberer nennt. Denn da ging es erstmal nur ums Feeling: kurz, prägnant, melodiös, den Song auf den Höhepunkt treibend, bis der Gesang wieder einsetzt.

Slash ist einer der wenigen Gitarristen, die nicht nur technisch brillant und schnell spielen können, sondern sich auch in den Dienst des Songs stellen, wenige Töne genau so setzen können, dass sie unter die Haut gehen.

Eindrücke der Show in Wien

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Upgrade

Mit dieser Qualität geht es erstmal weiter. Auch wenn die Highlights eindeutig Guns-N’-Roses-Nummern sind, zeigt Slash doch, dass er auch in der späteren Solo-Karriere eingängige Songs geschrieben hat. "Standing In The Sun" etwa vom neuen Album "World On Fire", das sich erstaunlich gut in den Charts behaupten konnte. Es hat ihm das Upgrade vom Gasometer in die Stadthalle – von 3300 Zuschauern auf 6500 – beschert.

Und die bedient Slash jetzt mit allem, was sie hören wollen: "You Could Be Mine" und "Mr. Brownstone" von den Guns, "Ghost" von seinem ersten Solo-Album.

Ein bisschen antiquiert sieht er ja schon aus – die schwarzen Locken immer noch unter den Zylinder gestopft, am Finger einen Totenkopf, Nieten ums Handgelenk gewickelt. Aber egal, das ist Rock-Sound der Sorte Frohsinn, einer, der aufbaut anstatt niederzuknüppeln.

Trotzdem fällt die Stimmung im Mittelteil ab. Todd Kerns, der zweite Gitarrist, singt zwei Songs, und Slash muss doch noch deutlich zeigen, wie virtuos er an seinem Instrument ist: Beim langen Solo geht es dann fast 20 Minuten lang doch mehr um Quantität als die Qualität, um viele flinke als um ein paar herzergreifende Töne. Das ist Saiten-Zauber der anderen Art: Verblüffend – aber nicht bewegend.

Das Publikum lauscht höflich. Aber begeistert sind die Wiener erst wieder, als Slash dann noch einmal auf Guns N’ Roses zurückkommt, das geniale Riff zu "Sweet Child O’ Mine" anstimmt. Ab da wird wieder gesungen, getanzt, gehüpft. Und bis zum Ende mit "Paradise City" nicht mehr aufgehört.

KURIER-Wertung:

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