Kultur

Shirley MacLaine: Nicht ihr letztes Wort

Gerade hat Shirley MacLaine ihren 83. Geburtstag gefeiert, im Kino ist der Hollywoodstar in der Hauptrolle als kratzbürstige Alte zu sehen, die Einfluss auf die eigene Biografie nehmen will, bevor es zu spät ist.

Auf die Frage, was MacLaine dazu gebracht hat, die Rolle der griesgrämigen Harriet Lauler anzunehmen, antwortet sie ohne Umschweife: „Was Sie mich wirklich fragen wollen ist doch, ob ich mich hier selbst spiele!“ – „Tun Sie?“ – Sie grinst süffisant, dann wird ihr Grinsen breiter: „Teilweise. Ich war Tänzerin, bevor ich Schauspielerin wurde. Im Tanztraining geht es um Effizienz, und das ist etwas, was ich auch beim Schauspiel immer anwende. Wenn ich mich leicht in eine Rolle hineinversetzen kann, finde ich eine bessere Balance beim Darstellen. So, das war jetzt meine intellektuelle Version von Ja, ich spiele mich sehr wohl selbst, denn die Rolle wurde für mich geschrieben. Wenn ich nicht so wäre wie Harriet, gäbe es mich längst nicht mehr.“

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Harriet Lauler will ihren Nachruf kontrollieren. Shirley MacLaine glaubt bekanntlich an Reinkarnation und hat darüber Bücher geschrieben. „Sie wollen wohl ein kleines Seminar, was?“, lacht sie auf die Frage nach ihrer zweiten Passion. „Schauen Sie, ich bin in den 1930ern geboren und mit der Arbeitsethik der Dreißigerjahre aufgewachsen. Ich fragte meine Mutter, wie sich Mädchen benehmen sollen.“ Ihre Mutter, eine Kanadierin, habe ihr Leben damit verbracht, anderen und vor allem ihrem Mann zu gefallen und ihn glücklich zu machen. Und sie sagte der Tochter, auf was es ankäme: „hübsche Frisur, hübsches Gesicht, hübsche Manieren“. Die junge Shirley versuchte das. Aber irgendwann habe sie begonnen sich Fragen zu stellen. „Nicht nur anderen, sondern vor allem mir selbst. Ich suchte nach Antworten, die mir Kontrolle über mein Leben geben würden. Ich fand diese Antworten sehr oft in den Charakteren, die ich spielte.“
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Das sei auch der Grund, warum sie immer noch schauspiele. „Je älter ich werde, je älter die Rollen sind, die ich annehme, desto mehr Erfahrung, Weisheit und Lektionen erhalte ich. Ich lerne mich durch meine Rollen selbst besser kennen.“ MacLaine ist auch Autorin von Büchern, vier davon über Metaphysik, eines eine Autobiografie, auch wenn sie ihre spirituellen Werke als Memoiren bezeichnet: „In allen geht es um mein Leben, meine innere und äußere Reise, daher sind das alles autobiografische Betrachtungen. Und die kommen bei den Menschen oft viel besser an als meine Filme. Sieben von zehn Fans sprechen mich nicht auf meine Rollen, sondern auf meine Spiritualität an. Und besonders auf mein Buch The Camino: A Journey of the Spirit. Es glaubt ja kaum einer, dass ich in meinem Alter den ganzen Jakobsweg gegangen bin. Ich war damals 68. Santiago de Compostela ist extrem schwierig, weil man dabei nur sich selbst hat. Und sich dabei im besten Fall selbst findet.“

Ihre äußere Reise führte den Hollywoodstar von Richmond, Virginia nach New York, wo sie 1950 im Musical „Oklahoma!“ spielte. Danach nahm die geborene Shirley McLean Beaty den Künstlernamen MacLaine an. Fünf Jahre später engagierte Alfred Hitchcock sie für die weibliche Hauptrolle in „Immer Ärger mit Harry“. „Ich musste nie um Rollen kämpfen. Ich kam als Hitchcock-Protegé nach Hollywood. Ich musste für meine erste Rolle nicht vorsprechen, ich war seine kleine goldene Entdeckung. Und dennoch identifiziere ich mich ein bisschen mit den Charakteren aus La La Land. Vielleicht, weil ich den Kampf zwischen Liebe und Karriere verstehe. Aber was das Filmbusiness betrifft, hat sich alles verändert. Du hast die Wahl zwischen riesigen Blockbuster-Franchises und winzigen Independen-Filmen, für die kein Geld vorhanden ist. Keine Zeit, kein Schutz von den Studios. Es ist heute viel schwieriger, den Durchbruch zu schaffen.“

Sie wird nachdenklich: „Vermisse ich die guten alten Zeiten? Nein. Sie sind alt, aber waren nicht immer gut. Ja, ich wurde von Alfred Hitchcock entdeckt, aber das war ein Film. Danach stand ich nicht mehr unter dem Schutz vom Studioboss und seinem Starregisseur. Mein nächster Film war mit Dean Martin und Jerry Lewis, um Himmels Willen! Das vergessen die Leute immer.“

Shirly MacLaine war die einzige Frau, die jemals als Mitglied des berühmten Rat Pack akzeptiert wurde. Ihre Erinnerungen an Dean Martin, Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. machen sie ein wenig rührselig: „Dean war der witzigste. Ich glaube, er war überhaupt der witzigste Mann, den ich je kannte. Seine Spontaneität, sein Sinn für Komödie und seine Fähigkeit, in allem Humor zu finden, war genial. Frank habe ich bewundert. Sein großes Herz, sein großes Talent. Sammy haben wir beschützt. Wir buchten einen Bus, um ihn im Spital zu besuchen, als er sein Auge verlor. Und trösteten ihn, wenn er Liebeskummer hatte. Und machten uns über ihn lustig, wenn er eine neue Freundin hatte, wie blond und weiß sie war. Ich habe so viel von ihnen gelernt. Wie man sich auf der Bühne bewegt, wie man Fehler gekonnt und elegant überspielt, alle drei waren so offen und spontan live.“ Wehmütiger Nachsatz: „Ich vermisse sie sehr.“

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Affären mit Mitgliedern des Rat Pack habe es keine gegeben: „Ich hatte mit keinem der drei was. Wir waren Freunde. Mein Typ waren Männer wie John Wayne und Robert Mitchum.“ In den 60er- und 70er-Jahren kursierte der Dauerwitz, dass Shirley Maclaine die einzige Frau in Hollywood sei, die nie etwas mit Warren Beatty gehabt habe – sie ist seine ältere Schwester.

Anderer Leute Meinung interessiert MacLaine „herzlich wenig“. Und sie gesteht, dass ihr Humor immer zynischer werde. „Bei den Oscars lachte ich am lautesten, als Matt Damon Jimmy Kimmel das Haxl stellte. Wenn ein Obdachloser am Hintern landet, ist das nicht lustig. Aber wenn es einem Star im Smoking passiert, dann ist es absolut witzig.“ Weniger gelacht hat sie, als ihr Bruder auf der Oscarbühne das falsche Kuvert aufmachte. „Es war nicht seine Schuld, aber etwas Gutes hatte das Fiasko ja doch: Jetzt wissen auch die unter 40-Jährigen, wer Warren Beatty ist.“ Wie ihr Bruder war auch MacLaine immer stark politisch engagiert. Offen, liberal und progressiv, fällt es ihr schwer ihren Ärger über den aktuellen US-Präsidenten zu unterdrücken: „Wir sind nun gezwungen, unsere Idee von Demokratie zu revidieren und eine Entscheidung zu treffen, wie weit wir Stümperhaftigkeit tolerieren können.“

Die Revolutionärin in ihr ist lebendig: „Wissen Sie, was schlechtes Theater ist? Washington. Und als Schauspielerin hasse ich nichts mehr als schlechtes Theater.“ Sie hat vor, Trumps Abgang und einen besseren Präsidenten zu erleben. Und macht alles, um geistig, körperlich und spirituell gesund zu bleiben. Ihre Lebensweisheit? „Werde dir klar über dich selbst. Je mehr und je besser du dich selbst kennst, desto mehr erkennst du dein Potenzial und dein Schicksal und kannst es auch leben.“ Und sie bereut nichts: „Nein, wie könnte ich auch? Jeder qualvolle Moment, jeder Schmerz, jede falsche Entscheidung führt dazu, dass ich daraus lerne. Wie kann ich etwas bereuen, aus dem ich wachse?!“