Kultur

"Schmach von Córdoba“: "Fußball-Poet" Ror Wolf gestorben

Die „Schmach von Córdoba“, die die deutsche Fußballnationalmannschaft 1978 gegen Österreich erlitt, wurde für Ror Wolf zur Sternstunde. Als einer der ersten Intellektuellen widmete er sich dem Volkssport: Er nahm Kommentarfetzen und Interviewpassagen, setzte sie zu Hörspiel-Collagen zusammen und wurde als „Fußball-Poet“ bekannt.Laut deutschen Medienberichten ist er nun 87-jährig gestorben.

1932 wird Ror Wolf in Thüringen geboren. Bevor er 1953 die DDR verlässt, arbeitet er zwei Jahre als Bauarbeiter, seine Bewerbungen zum Studium werden zunächst abgelehnt. 1954 beginnt er in Frankfurt Literaturwissenschaft, Soziologie und Philosophie zu studieren. Sein erstes Buch, der Roman „Fortsetzung des Berichts“, erscheint 1964, eine auf Papier gebrachte Traumlandschaft in Anlehnung an Franz Kafka.

"Bewegung in die Köpfe"

Anfang der 1970er Jahre betritt er ein ganz anderes Terrain: die Fußballstadien. Vor allem aus dem Stadion der Frankfurter Eintracht schreibt er Texte und nimmt Radiostücke auf, die ihn bekannt machen. In seiner Jugend sei ihm Fußball noch fremd gewesen, erzählt Wolf. Den Sport lernt er bei Fans in Stuttgart kennen, wo er als Hilfsarbeiter tätig ist. Die Weltmeisterschaft 1954 habe dort „Bewegung in die Köpfe gebracht“.

Bewegung in die Köpfe brachte Wolf selbst durch seine Prosa- und Poesie-Texte, die immer wieder herausfordern und die Erwartungshaltung des Lesers brechen. So veröffentlicht er 2012 den Horror-Roman „Die Vorzüge der Dunkelheit“, in dem er den Ich-Erzähler auf einen surrealen Streifzug durch Absteigen und Kaschemmen schickt.

Skurril bis grotesk sind die meisten seiner Bücher. Immer wieder beschäftigt er sich mit der Welt und ihrer Wirklichkeit und dem Auseinanderdriften von beidem. Eine allgemein verbindliche Wirklichkeit gebe es für ihn als Autor ohnehin nicht, sagte Wolf. Es zählt vor allem das Erlebte: „Die Realität ist eine Mischung, die im Laufe der Jahre zustande kommt.“ Sein rhythmischer Umgang mit der Sprache verschafft ihm in der Literaturkritik den Beinamen „Wortmusiker“. Ein Kompliment, das ihm „sehr recht“ ist.

Vielfach wird er für seine Werke ausgezeichnet, zuletzt etwa 2016 mit dem Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg. Die Jury urteilte: „Für die zersplitterte Gegenwart, in der wir leben, hat Ror Wolf wie kein anderer literarische Formen entwickelt, die mit den tröstlichen Verbindlichkeiten des konventionellen Erzählens nichts zu tun haben.“ Auch als bildender Künstler betätigte sich Wolf, schaffte auch hier - wie könnte es anders sein - Collagen. Surreal wie in den Büchern geht es zu, Wolf übertrug das Spiel mit dem Verfremden ins Optische. Seine Arbeit an den Bildcollagen sei aber nur eine „gewollte Nebenbeschäftigung“ sagte er, ein Ausgleich zum Schreiben.