"Schlecht wird’s eh von allein"
Von Peter Pisa
"Mögen Sie die Menschen?" – "Sicher mag ich sie. Wo kommen wir denn da hin? Da müsste ich mich ja selber auch nicht mögen!"
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Peter Rosei wird genau in einer Woche 70.
Er wollte, nur ein Spaß, Erfinder von Medikamentennamen werden. Das besorgen die Computer.
Die Eltern wollten, dass er Richter wird oder Anwalt. Jus hat Rosei fertig studiert, es fehlte das sogenannte Gerichtsjahr. Aber als er – 1972 – vorn in den Justizpalast hineingegangen ist, ist er ... hinten gleich wieder raus:"Der Mief, bürgerlich-faschistoid, war nicht auszuhalten. Eigentlich hat sich Hitlers Zeit bis in die 1980er erstreckt. Ein Trottel wird doch keinen G’scheiteren zum Nachfolger machen, sondern einen größeren Trottel. Deshalb dauerte alles. Mit 1945 war’s nicht zu Ende."
Kein Medikamentennamenerfinder, kein Talar ... Da hat sich Peter Rosei fortan bemüht, als Schriftsteller die ganze Welt zu erfassen.
Er hat die Trostlosigkeit erkundet ("Entwurf für eine Welt ohne Menschen") und in "Von Hier nach Dort" die Frage gestellt: Bin ich verzweifelt, oder ist es das Glück?
Er ist, stellvertretend, in Venedig in die Irre gegangen und hat sich dabei verloren ("Wer war Edgar Allan?") ... und zuletzt hat er in fünf Wiener Romanen die Gierigen porträtiert.
Die Haltlosen. Respektlosen. Bodenlosen.
Die ihr Herz ans Geld gehängt haben.
Die glatt sind "wie eine Wasserlache gleich nach dem Regen."
Der Residenz Verlag hat die "Wiener Dateien" zum Geburtstag komplett im Schuber neu herausgebracht: "Wien Metropolis", "Madame Stern", "Globalisten" ... um 69.90 Euro.
Roseis Bücher sind Konzentrate aus 1000 Denkbewegungen. Gelernt hat er viel von Kafka. Sehr oft auch von Naturwissenschaftlern.
Vom polnischen Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski etwa lernte er:Damit Romanfiguren keine schwarz-weißen Karikaturen sind, muss man die Menschen "von innen heraus" erforschen. Sei Maori, wenn du mehr über die Maori erfahren willst
Niemals ist Roseis Literatur ein Gefängnis – soll heißen: Er predigt nicht.Denn nie ist alles klar bei ihm, und wer sich darauf einlässt, steht auf schwankendem Boden. Es besteht Hoffnung, dass den Lesern einiges bewusst wird und sie eine Abwehrhaltung einnehmen.
Zum Beispiel gegenüber der Wirtschaft: "Sie ist Menschenwerk und kann so oder so sein."
Es muss Umverteilung geben, sagt er. Das habe nichts mit Klassenkampf zu tun. Bei diesem Ungleichgewicht beim Vermögen könne Wirtschaft nicht funktionieren. Und ohne Grundeinkommen ebenfalls nicht: Arbeitsplätze verschwinden durch die Maschinen. In Japan werden selbst die Hochhäuser bereits vom Computer gebaut.
"Ist der Mensch nur etwas, wenn er arbeitet? Ist er sonst nichts? Gar nichts?"
Peter Rosei traut der Literatur Veränderungen zu. Und ist nicht wütend, weil alles langsam geschieht. Im Alter sieht er, dass man Geduld braucht. Und Mut braucht man. Riskieren muss man etwas ... und auch die Brennnesseln gießen, weil es könnte eine kleine Rose verborgen sein.Peter Rosei bleibt optimistisch.
Er hält sich, obwohl er Elias Canetti nicht besonders mag, an dessen Satz:"Wir brauchen keine Pessimisten. Schlecht wird’s eh von allein."
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"Sie hätten ein Star werden können! Im Rückblick: Sind Sie denn nie in Ihrem Leben an einer Kreuzung falsch abgebogen? Tut Ihnen keine Entscheidung leid? – "Nein, das wäre dumm." – "Aber verständlich wäre es." – "Aber dumm."