"Satire, die Zeit schreit nach Satire"
Zuletzt ließ er es auf Stippvisite in Wien mit Hildegard Knef wieder rote Rosen regnen. Tim Fischer, dessen Großmutter immer Platten von Michael Heltau gespielt hat, kann aber auch hinreißend Lieder von Georg Kreisler singen.
„Zarah ohne Kleid“ mit den vor Schmalz und Pathos triefenden Schmonzetten der Leander war nicht weniger bezaubernd. Mit genau diesem Programm hatte ihn am Anfang seiner Karriere Gerhard Woyda, der Gründer des Renitenztheaters, nach Stuttgart geholt.
Chanson und Kabarett
Jetzt hat der liederdichtende Theatergründer, 86, für den singenden Paradiesvogel, 38, ein neues abendfüllendes Programm geschrieben und gleich die Musik dazu: „Satiriker sind keine Lyriker“ (29. 3. im Theater Akzent).
„Die Zeit schreit nach Satire“ rief einst Kurt Tucholsky und würde es auch heute tun. Satiriker „schlagen dir die Wahrheit ins Gesicht“, heißt es bei Woyda. „Sie schützen die Gesellschaft vor Ungerechtigkeit und geben selbst ’nen Staatsmann der Lächerlichkeit preis.“
Lieder am Puls der Zeit Und im Refrain: „Satire, die Zeit schreit nach Satire.“ Für Tim Fischer „bebt die Republik“. Doch „Satire lebt ausschließlich vom Negativen, das Positive ist ihr fremd“, heißt es im Text des Titelsongs von „Satiriker sind keine Lyriker“. In den Songs wird über die Gier der Börse und Banken und die Hosenanzüge der Frau Merkel gelästert, da ist eine Muslimin mit ihrem Kopftuch verheiratet, da verliebt sich ein 16-Jähriger in eine 60-Jährige und ein Rauschgiftsüchtiger träumt von einer besseren Welt. „Gerhard Woyda behandelt auf wunderbare Weise aktuelle, moderne Themen, die er mit angenehm nostalgischen Kompositionen versieht“, sagt Tim Fischer. „Da reibt sich was, da entsteht was Neues.“
Sarkastisch
Der Chansonnier aus Berlin hat die Federboa abgestreift und die allzu exaltierten Gesten abgelegt.
Statt mit Zarah Leander, Friedrich Hollaender oder Hildegard Knef weiter in der Vergangenheit zu schwelgen, ist er in der Gegenwart angekommen.
„Was soll man sich immer den Schnee von gestern anhören? Schließlich möchte man ja nicht immer nur in Nostalgie schwelgen, sondern im Heute und in der Situation, in der man lebt, angesprochen werden.“
Ätzt großartig
„Ich bin am Zahn der Zeit“, sagt der Entertainer, „der aber noch nicht an mir nagt.“ Also ist „Satiriker sind keine Lyriker“ ein unterhaltsames Bulletin der Zeit, in der wir leben.
Woyda packte mit spitzer und feinsinniger Feder die aktuellen Themen – Drogensucht, Existenzangst, Kindesmissbrauch, Korruption, die Kriege der Börsen, Islamismus und Bürgerkrieg in Afrika – in bissig-ernste und doch satirische Texte.
Kritisch und ironisch
„Es war wie eine Neuauflage der Lieder von Brecht und Weill im zeitgenössischen Gewand. Mit weniger Satire als vielmehr Apokalypse“, so ein Kritiker nach der Premiere in Stuttgart. Ein anderer titelte „Tim Fischer ätzt großartig garstig“.
Es ist quasi gesungenes Kabarett. „Ich liebe es, wenn die Texte anspruchsvoll sind“, erklärte Fischer. Für ihn spricht aus den klugen Liedern Lebenserfahrung: „Wie blickt ein alter Mann auf das Heute und das hat uns ja viel zu sagen. Ich bin sowieso der Meinung, dass man von älteren Generationen was lernen kann, dass man sich auch mit ihnen beschäftigen sollte und sie auch selbst zu Wort kommen lassen sollte. Das ist doch klar, die haben einen großen Rucksack voller Erfahrungen auf dem Rücken.“
Und für Gerhard Woyda interpretiert Fischer „mit Herz und mit Verstand, mit Gefühl vor allem. Und er ist auch ein androgyner Typ. Man kann ganz spezielle Texte für ihn schreiben wie ,Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten. Ich bin ein Wanderer zwischen der Zeit.‘ Das ist genau richtig für ihn.“
Info:
Am 29. März im Theater Akzent,
Theresianumgasse 18, 1040 Wien, Karten: 01/501 65-3306