Kultur

Wie der Zauberer nach Oz kam

Felsen wie Skulpturen, Blumen so hoch wie Bäume, geflügelte Affen, Munchkins, die Samaragd-Stadt, gute und böse Hexen und ein Zauberer – das ist die fantastische Welt von Oz. 113 Jahre nachdem Lyman Frank Baum sie in seinem Kinderbuch-Klassiker „The Wonderful Wizard Of Oz“ erschuf und 74 Jahre nachdem der Stoff das erste Mal verfilmt wurde, lässt „Spiderman“-Regisseur Sam Raimi diese Welt im Kino wieder auferstehen.

Allerdings ist „Die Fantastische Welt von Oz“ (Kinostart ist der 7. März) kein Remake, sondern die Vorgeschichte. Die verortet die Herkunft des Zauberers in dem selbstsüchtigen Jahrmarkt-Magier Oscar Diggs und verfolgt, wie er sich mit seinen irdischen Talenten in der Zauberwelt durchschlägt, immer besser schlägt, die bösen Hexen besiegt und die gute Hexe bekommt.

„Zuerst hatte ich Bedenken, die Fans dieser heiligen Welt würden es mir übel nehmen, wenn ich darin herumpfusche“, erklärtSam Raimiim Interview mit dem KURIER in London. „Aber als ich das Script las, fand ich die Story unheimlich süß: Da ist ein Typ, der langsam seine Selbstsucht abzulegen lernt. Der einen guten Freund hat, den er nicht schätzt, der in Oz aber in Form der Freundschaft eines geflügelten Affen eine zweite Chance bekommt.“

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Selbstsüchtig

In James Franco (der schon in „Spiderman“ mitspielte) fand Raimi auch die Idealbesetzung für die Oz-Hauptfigur Oscar Diggs. Denn Franco hat „diese essenzielle Transformation von Diggs“ selbst durchgemacht: „Als ich James kennenlernte, war er sehr selbstsüchtig. Während der Dreharbeiten zum ersten Spiderman-Film mochte ich ihn nicht. Aber im Laufe der Zeit wurde er offener für die Ideen der anderen. Und beim dritten Spiderman-Film verstanden wir uns gut.“

Darauf angesprochen reagiert Franco zuerst beleidigt („Ja, der ganze Film ist eine Doku über mich!“), gibt dann aber zu, dass er zu Beginn seiner Karriere Diggs ähnlich war: „Jeder, der ehrgeizig ist, einen starken Antrieb hat und erfolgreich sein will, ist selbstsüchtig. Ich dachte damals, dass nur ich am besten weiß, wie ich meinen Charakter spielen muss. Aber über die Jahre habe ich das Potenzial von Zusammenarbeit erkannt, gemerkt, dass ich damit nicht nur bessere Arbeit abliefern kann, sondern auch ein glücklicherer Mensch bin.“

Unschuldig

Auch die anderen Hauptcharaktere von „Die fantastische Welt von Oz“ hat Raimi nach dem selben Prinzip besetzt: Die gute Hexe Glinda ließ er von Michelle Williams spielen, weil „man in ihren Augen sehen kann, dass sie eine gute Seele hat“. Rachel Weisz spielt die böse Hexe Evanora und die „unschuldige“ Mila Kunis deren Schwester Theodora, die gut und böse hexen kann.

Neben dem Erzählen der Story sah Raimi auch als Anreiz, dass er mit dem Film Baums Oz-Universum erlebbar machen konnte. „Da waren wir schnell bei 3D“, sagt er. „Aber ich hasse 3D, denn das stresst meine Augen und macht Kopfweh. Also musste ich in die Schule gehen und lernen, warum das so ist. Ich habe mit verschiedenen Kamerasystemen herumprobiert. Und ich arbeitete viel mit den Stereografen, das sind die Leute, die für die Konvergenz der beiden Kameras verantwortlich sind, die bestimmt, was im Film vorne, mittig und hinten erscheint.“

Schockeffekt

Das Resümee des 53-Jährigen: „Schnelle Cuts machen den Stress für die Augen. Deshalb habe ich die Distanz von Nah und Fern nie schlagartig geändert. Außer, wenn ich einen bestimmten Schockeffekt verstärken wollte. Wenn man zum Beispiel einen Charakter aggressiv erscheinen lassen will, kann man ihn näher ans Publikum rücken. So fand ich, dass man als Regisseur mit 3D ein ganzes Vokabular an Effekten hat, die man im Storytelling anwenden kann.“

Die restlichen Tricks verrät er nicht. Denn – wie er in „Die fantastische Welt von Oz“ auf einer zweiten Handlungsebene zeigt– er glaubt an die magische Wirkung des Films: „Regisseure sind wie Magier Entertainer, die Tricks und Geheimnisse haben, mit denen sie eine Zauberwelt erschaffen. Genau das habe ich schon als Bub so an Filmen geliebt.“

Selten in der Filmgeschichte hat eine Porzellanpuppe so gerührt. Der Zauberer von Oz findet sie, nachdem die Hexe ihr Dorf zerstört hat. Sie sitzt alleine da, versteckt unter Trümmern, mit zerbrochenen Beinen, weint bitterlich. Oz, der Zauberer, hört sie und hilft ihr mit einem banalen Trick aus der banalen Menschenwelt: Klebstoff.

Das zerbrechliche Püppchen kann wieder gehen (wie einst im wunderbaren Klassiker „Der Zauberer von Oz“ aus dem Jahr 1939 der Blechmann, der Öl benötigte).

„Die fantastische Welt von Oz“ ist nun 72 Jahre später ein Prequel zum alten Meisterwerk. Die Porzellanpuppe ist darin zweifellos am besten besetzt. Zumindest besser als James Franco, menschgewordene Grinsekatze, die hier unterfordert erscheint als Zauberer Oz.

Dabei ist dessen Geschichte aus 14 Romanen herausgefiltert worden. Frank Baum hatte sie zwischen 1900 und 1920 im Land von Oz spielen lassen. Wie wurde der Zauberer, was er ist? Wo kam er her ...?

Wie Edison

Ganz kurz: Er kam mit einem Ballon im Wirbelsturm aus Kansas. Ein Zauberer vom Jahrmarkt, ein Frauenheld und opportuner Trickser, der davon träumt, ein großer Magier zu werden: „Wie Thomas Edison einer ist“, der Erfinder der Glühbirne und Miterfinder des Kinos. Um die bösen Hexen in Oz zu besiegen, konstruiert er prompt die Kinomaschine; und projiziert sich in einen Nebel (statt auf eine Leinwand); und sieht dabei aus wie George Meliès, Urvater des Spielfilms.

Spiderman-Regisseur Sam Raimi ist ein großartiger Regisseur. Da kann das Thema noch so infantil sein. Er weiß es einfach zu inszenieren. Und so pendelt sein Märchen zwischen Nostalgie und (fader) digitaler Knallbunt-Welt. Man verbeugt sich vor dem Kino: Zwar ist sie täuschende Trickmaschine. Doch glaubt man an sie, kann sie das Leben verändern, Menschen solidarisieren, das Böse bekämpfen. Wie rührend.

KURIER-Wertung: **** von *****