Kultur

Salzburg: Gesamtkunstwerk mit Sex und Gewalt

Am Anfang war das Wort. Das nahm der Tiroler Dramatiker Händl Klaus, drechselte daraus kunstvolle Sätze – nur um sie durch seinen Sprachhäcksler zu jagen, der sie in einzelne Silben schredderte.

Diese teilte er auf vier Figuren, die sie als eine Art Sprechgesang wiedergeben sollten. Und zwar zur Musik der Musicbanda-Franui-Komponisten Andreas Schett und Markus Kraler. Unter Zuhilfenahme von Alban Bergs "Jugendliedern".

Inhalt von "Meine Bienen. Eine Schneise", einem Auftragswerk der Salzburger Festspiele: Alleinerziehende Mutter zieht mit verhaltensoriginellem, aber schön singendem Sohn (weil der Wiltener Sängerknabe David) an den Waldrand. Es brennt. Bäume und Bienenstöcke werden ein Raub der Flammen, die absichtlich gelegt wurden. Auftritt: ein ermittelnder Inspektor und der Imker. Verdächtig: sind mit ihren rußigen Händen alle.

Lösung: gibt es keine.

 

Archaische Kraft

Klingt akademisch. War bei der Uraufführung am Landestheater aber von archaischer Kraft. Ein Gesamtkunstwerk aus Text, Schauspiel, Musik und Bildern. Ein heidnisches Ritual um Sex und Gewalt. Defintiv der Höhepunkt des diesjährigen Salzburger Schauspielprogramms.

Im Sog der drei großartigen Darsteller Brigitte Hobmeier (Mutter), Stefan Kurt (Inspektor) und André Jung (Imker) liest sich die Story nämlich so: Junger Krieger/Gott entwindet durchaus williges Naturwesen dem alten Krieger/Gott. Der ist längst ein Feind seiner Völker, will seine Völker nicht mehr pflegen – und stiftet den Knaben an, sein Zerstörungswerk zu vollenden.

Erlösung gibt es keine.

Tanz um den Tatort

Regisseur Nicolas Liautard, der gemeinsam mit Giulio Lichtner auch das Bühnenbild ersann, inszeniert das Drama unter Aufgebot aller Mittel. Auch derer der Komik. Etwa, wenn Kurt verzweifelt tänzelnd versucht, seinen "Tatort" vor diversen Drübertramplern zu schützen. Oder die Hobmeier seinen Spurensicherungskoffer auspackt, wie ein Kind ein Weihnachtsgeschenk. Sie, die als kommende Buhlschaft gehandelt wird, ist das Herzstück. Eine Lügnerin und Verführerin, eine Hexe mit dem Gesicht einer Heiligen, das "Weib" an sich.

Trunken macht sie den alten Imker, um den Neuen zu umgarnen. Als Jung auftritt (und wer könnte besser "auftreten" als Jung?), begleitet ihn ein Lichterzauber, der eines Odin würdig wäre. Liautard hat dafür als Hintergrund eine milchige Wand geschaffen, die Durchblick ebenso nur vorgaukelt, wie der Rest des Ganzen.

Gesumm und Gesang

Bleibt die zehnköpfige Franui-Truppe zu würdigen. Die mit Berg und Bienengesumm, mit Gesang, Hackbrett, Harfe und picksüßem Hölzl, von Volksliedklängen über Beinah-romantischer-Oper bis Klezmersound alles gibt.

Ein so anspruchsvoll artifizieller wie lustvoller Abend.

Bravo an alle Beteiligten, Dank an Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf, der diese Konstellation zusammengeführt hat.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Mehr zum Thema

  • Hintergrund

  • Hintergrund