Kultur

Säulen, Sockel und kein Ende: Der "Brancusi-Effekt" in Wien

Auguste Rodin wusste es, Constantin Brancusi wusste es auch: Fotografie "macht" Skulptur, ganz so, wie Kleider Leute machen.

Der aus Rumänien stammende Bildhauer (1876– 1957), der sein Künstlerleben vorwiegend in Paris verbrachte, verstand es, seine anmutigen Skulpturen vor der Kamera zu inszenieren, und damit deren Wahrnehmung zu prägen. Als Brancusis Künstlerfreund Marcel Duchamp (ja, der mit dem Pissoir) 1933 eine Ausstellung in New York organisierte und Brancusis Skulpturen dort nach eigenem Gutdünken auf Sofas und in Ecken platzierte, war es mit der Freundschaft dann auch rasch vorbei.

Ohne Original-Skulptur

Die Ausstellung "Der Brancusi-Effekt" in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz nimmt diesen Faden auf und spinnt ihn in die Gegenwart weiter – wobei man wohl auf Original-Fotografien, nicht aber auf Original-Skulpturen des Meisters zurückgreift. Die fotografischen Inszenierungen von Brancusi und Duchamp sind hier einer Reihe zeitgenössischer Skulpturen gegenübergestellt, die sich von Brancusis Werken beeinflusst zeigen.

Besonders die "Endlose Säule" – jene Aneinanderreihung von Pyramidenstümpfen, die sich der Idee nach endlos fortsetzen lässt – hat es demnach zum zeitlosen Klassiker geschafft: Haraldur Jónsson stapelt billige Plastikkübel in Brancusi-Manier, Rudi Stanzel schichtet duftende Seifen aus dem Drogeriemarkt auf, bei Shahryar Nashat sieht die Brancusi-Säule eher nach einem endlosen Sexspielzeug aus und heißt "Rodden to the core". So weit, so originell.

Als freier Assoziationsraum funktioniert die Schau recht gut – der weiterführende Erkenntnisgewinn ist allerdings begrenzt: Dass Brancusi ein einflussreicher Klassiker der Moderne ist, wusste man schon vorher, der "Brancusi-Effekt" birgt keinerlei Überraschung.

Ausstellungsansichten aus "Der Brancusi-Effekt"

Alle Inhalte anzeigen

Ohne Sockel

Wer mit dem Werk des Bildhauers dagegen weniger vertraut ist, dem wird in der Kunsthalle nicht unbedingt auf die Sprünge geholfen. Dass es Brancusi war, der den Sockel aus seiner traditionellen Rolle befreite und den Untersatz selbst zum Kunstwerk machte, erfährt man wohl; in der Skulptur der Gegenwart ist dieser Umstand aber schon so tief eingesickert, dass die Auswahl der zeitgenössischen Brancusi-Echos nicht immer zwingend erscheint.

Auch die Vermittlerfunktion der Fotografie bleibt in der Schau eher angerissen als ausformuliert. Hoffnung bietet hier der Katalog, der noch im Juli erscheinen soll: Die Kunsthistorikerin Paola Mola zeichnet darin u.a. die Geschichte der Fotos von Duchamps New Yorker Brancusi-Schau nach.

INFO: "Der Brancusi-Effekt": Bis 21.9., Kunsthalle Wien am Karlsplatz. Heute, Dienstag, hält Kuratorin Vanessa Joan Müller um 18 Uhr in der Kunsthalle im MuseumsQuartier (!) einen Vortrag zu Brancusi.