Der Tisch mit den Teetassen ist umgestoßen worden

Jahre wie diese. Darüber will man gar nicht viele Worte verlieren. Das will man einfach genießen, allein. Ein bissl brummen will man über den Schluss, der nach Hollywood klingt: "Ich habe dich so sehr vermisst."

"Blödsinn."

"Hast du mich denn nicht vermisst?"

Aber die Story passt, und die Leut’, die mitspielen, das sind Menschen, und jeder Satz sitzt und jeder Doppelpunkt.

Zitat:

"Sie konnten nirgends hin mit dem, was zwischen ihnen war."

Ist das nicht großartig formuliert?

Und es ist ja nicht so, dass man dringend etwas mitteilen müsste über den Inhalt. Denn Spektakuläres gibt es in "Jahre wie diese" nicht.

Es sind nur der Luke und der Paul und die Leigh, die brennen fürs Theater. Später kommt dann noch die Nina dazu, sie kann zwar nichts dafür, dass sie von ihrer Mutter gequält wurde, aber bringt alles durcheinander.

Sie alle werden von Sadie Jones ins London der 1970er-Jahre begleitet.

Die Schriftstellerin, der seit "Der Außenseiter" (2008) applaudiert wird, sagt selbst über die Hauptdarsteller ihres vierten Romans:

"Sie lieben die falschen Menschen, fügen Schmerzen zu und verkomplizieren ihr eigenes Leben und das der anderen. Ihre Schicksale sind ineinander verschränkt, die Theaterwelt verbindet sie."

Nach "Hair"

Die Welt des experimentellen, politischen Theaters, das nicht mehr für eine Elite da war. Die künstlerische Freiheit ist nach dem Musical "Hair" auf den Weg gekommen.

Aber noch ist das Establishment reaktionär und geschmacklos.

In den 60ern wurde, so Sadie Jones, der Tisch mit den Teetassen umgestoßen.

In den 80ern war man bemüht, ihn wieder aufzustellen und für ein Businesslunch zu decken.

Und die 70er? Waren die Partys dazwischen, mit Soul und schlechtem Benehmen und Whiskey mit Soda (aber auch mit Benny Hill und Rüschenhemden).

In diesem extremen London suchen die vier zerbrechlichen Jungen ihren Platz. Luke schreibt Stücke – anfangs arbeitet er hauptsächlich als Mistkübler, Leigh ist Regisseurin, Paul würde gern etwas produzieren, und Nina ist Schauspielerin. Im Umgang miteinander lernen sie, sich nicht zu verstellen.

Hat man mit Theater nichts am Hut, ist es etwas schwieriger, mit ihnen mitzuleben.

KURIER-Wertung:

INFO: Sadie Jones: „Jahre wie diese“ Übersetzt von Brigitte Walitzek. DVA. 416 Seiten. 20,60 Euro.