Kultur

Rudi Fußi: Ausbrüche eines Wut-Beraters

Wenn der Titel einer Kabarettpremiere (#jetztredeich) in Österreich zum Twittertrend wird, sagt das viel über die Überschaubarkeit der Szene aus. Freitagabend ist auch gefühlt die Hälfte der heimischen Polit-Twitteria in die Wiener Kulisse gekommen, um Rudi Fußis Debüt auf der Kabarettbühne zu sehen.

Wenn es Twitter nicht gäbe, Rudi Fußi hätte es wohl erfinden müssen. Der umtriebige PR-Berater (Selbstdefinition: "Edelprostituierte") nützt den Kuznachrichtendienst als Dauer-Durchlauferhitzer für seine erdig-unterhaltsamen Analysen, vor tief fliegenden Wuchteln schreckt der gebürtige Steirer nie zurück, auch nicht in seinem Kabarettprogramm.

"Sei so, wie du bist" – diesen Satz hat Fußi verinner- und veräußerlicht. Und Fußi war schon ziemlich viel: Jung-ÖVPler, Abfangjäger-Volksbegehrer, SPÖ-Mitglied, Agenturgründer, Team-Stronach-Berater, und jetzt auch: Kabarettist.

"Sei so, wie du bist": Einem Politiker würde er dazu nie raten, sagt er, als Kabarettist. Da zählen andere Dinge: Trinkfestigkeit, Anschlussfähigkeit, Kreisverkehreröffnungstauglichkeit — und eine gute Portion Selbstverleugnung.

AMS-Kurs

Fußi trägt seine Sentenzen in einem fiktiven AMS-Kurs für ein "überqualifiziertes" Publikum mit Perspektive "Oasch" vor. Politik im zweiten Bildungsweg – da ließe sich noch g’scheit verdienen, wenn’s schon für die Privatwirtschaft nicht reicht.

Kabarettist im zweiten Bildungsweg – das riecht nach Gefahr. Aber Fußis Auftritt ist erfreulicherweise weit mehr als simpler Selbsterfahrungstrip. In seinem impulsiven und eruptiven Vortrag nicht nur erstaunlich textsicher, hält Fußi auch spannungsmäßig den Bogen, und beweist trotz zweistündigen Parforceritts, der nur durch ein paar Youtube-Perlen unterbrochen wird, Kondition.

2+2=4

Denn nachdem er sich etwa darüber amüsiert hat, dass die heimische Intelligenzija jubelt, nur weil ein SPÖ-Kanzler beim Amtsantritt ausspricht, dass 2+2 tatsächlich 4 ist, oder darüber, dass ÖVP-Hoffnung "Basti Fantasti" ein wahrer PR-Musterschüler sei ("Ned tun – ankündigen!"), hat Fußi noch Luft für eine heftige Wutrede. In der er den Spieß gegen die selbsternannten Wutbürger auf Straches Facebook-Seite einmal umdreht.

Aber am Ende treffen die – nicht durchgehend geschmackssicheren – Watschen doch wieder Politiker aller Couleurs. So rechnet Fußi etwa vor, dass die Senkung der Bankenabgabe den Steuerzahler in Zukunft weit mehr koste, als die heiß diskutierte Einführung einer Bankomatgebühr. Aber die Erregung gehöre eben zur Lieblingsbeschäftigung "des Wählers". Er will gestreichelt werden - aber keinesfalls zu viel gestreichelt.

Und wenn das Wahlvolk einmal alle PR-Tricks durchschaue? "Dann sind wir alle beim AMS!"

Fazit

Noch eine kleine Rechnung: Würden bloß alle Twitter-Follower Fußis Programm sehen wollen, könnte er die Kulisse theoretisch mehr als 80 Mal füllen. Damit hat der Neo-Kabarettist natürlich nicht gerechnet, aber seit der Premiere wurden bereits einige Folgetermine angesetzt. Auch Kabarettfans können sich zu "Jetzt rede ich" hintrauen: Denn Rudi Fußi beißt.

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