Kultur

Tabasco-Sauce für die Augen

Es ist ein altes Marschlied der US-Army, das am Anfang von „Die Sonne war der ganze Himmel“ steht.
Die Soldaten singen vom gelben Vogel, der auf dem Fensterbrett sitzt und mit Brot gelockt wird – „And Then I smashed / His fucking head ...“

Kevin Powers hat das Lied beim Militär gelernt, dann ist er im Februar 2004 als Freiwilliger in den Irak gezogen. Bis März 2005 war er Maschinengewehrschütze.
Dort hat er kapiert: Die Soldaten sind die Vögel, die man mit falschen Vorstellungen in diesen Krieg lockte; und wenn sie auch nicht alle zertrümmert wurden: Die Moral ist zerstört. Die Seelen sind tot.

Arm im Maul

Der erste Roman des 32-Jährigen aus dem öden Richmond in Virginia, der an der Front zum Dichter wurde, erregt überall Aufsehen. Mit Remarques „Im Westen nichts Neues“ wird er verglichen.
Es ist ein ehrliches Buch über den Krieg, folglich eine Antikriegsbuch.
Vor den Füßen der Soldaten liegen Hautfetzen und innere Organe ... ein Hund trottet mit dem Arm eines Granatenopfers durch den Sand, vor Leichen muss man aufpassen, sie könnten Sprengstoff in der Bauchhöhle haben ... man schmiert sich Tabasco in die Augen, um nicht einzuschlafen, um nicht der 1000. Amerikaner zu sein, der im Sarg heimgeschickt wird.
John Bartle ist der Held, der keiner sein will. Zurück in den USA wird er sich auf kein Bier einladen lassen.

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21 ist er. Nur überleben wollte er, als er im Kampfbegriffen hat, dass es nicht ums Team geht. Sondern dass man erschreckend froh ist, wenn’s einen anderen trifft: Es erhöhe die eigenen Chancen, redet man sich ein.
Aber vor seinem Einsatz, da war er stark, abenteuerlustig. Der Mutter seines 18-jährigen Kameraden Murphy hatte er versprochen, er werde aufpassen auf ihren Sohn. So dumm war John Bartle.
Der Krieg nimmt sich, was er bekommt. Ihm ist egal, ob man geliebt wird oder nicht. Dieser Murphy wird auf der Straße liegen. Ohne Augen, die Kehle durchgeschnitten, der Kopf fast abgetrennt. Es ist John Bartles Geschichte. Er ist der Ich-Erzähler. Die ganze Scheiße aus seiner Sicht.
Es ist nicht die erlebte Geschichte des Autors: Kevin Powers hat im Irak keinen Freund verloren. Aber es ist seine persönliche Einsamkeit, die ins Buch fließt. Es sind seine Gedanken. Es ist sein Bild, auf das wir erbleichend starren: Staub, mit Blut vermischt, in weißer Sonne. Die Hyazinthen, die vergangenes Jahr von einer Verrückten dem Boden abgetrotzt wurden, kommen bestimmt nicht mehr.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Info: Kevin Powers: „Die Sonne warder ganze Himmel“ Übersetzt von Henning Ahrens. VerlagS. Fischer.240 Seiten. 20,60 Euro.

Christian Schünemann und Jelena Volić sind schon lange befreundet. Jetzt haben sie gemeinsam einen Krimi geschrieben. Ihre Protagonistin Milena Lukin, Serbin mit deutschem Pass, stößt in Belgrad bei Recherchen für ihre Habilitation auf einen vertuschten Mord an zwei Soldaten.
Nach einer wahren Begebenheit.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Christian Schünemann und Jelena Volić: „Kornblumenblau“ Diogenes Verlag. 368 Seiten. 20,50 Euro.

Einer Schwimmerin in der Donau fährt eine Hand zwischen die Beine. Keine Angst, es ist nur eine Leiche.
Die Leiche eines Gaddafi-Getreuen. Pittlers alte Romanfigur Bronstein aus der preisgekrönten historischen Krimiserie merkt man sich. Sein neuer Ermittler Oberst Zedlnitzky hat noch einen mühsamen Weg vor sich.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Andreas Pittler: „Der Fluch der Sirte“ Echomedia Verlag. 320 Seiten. 20,40 Euro.

Gebaut in Fäulnis, dicht an der Realität: De Cataldo ist Richter. Die Vorstadtgangster, die zur mächtigen Bande Roms „aufstiegen“, sind aktenkundig. Sie veränderten die Welt. Heroin statt Joints, Bomben statt Messer.
So gut der Autor ist: Notwendig war diese Vorgeschichte zu seinem Mafiathriller „Romanzo Criminale“ nicht.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Giancarlo De Cataldo:„Der König von Rom“ Übersetzt von Karin Fleischanderl. Folio Verlag. 178 Seiten. 19,90 Euro

Empfehlung der Woche: Im Debütroman des Wieners Christian David sind Staatsanwältin und Kriminalpolizist so normal, dass man sie abbusseln könnte. Und was ein Finanzskandal im Rathaus mit vier Mädchenmorden in Wien und einem Pfarrer in Salzburg zu tun hat, macht neugierig bis zur allerletzten Seite.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Christian David: „Mädchen-auge“ Deuticke Verlag. 464 Seiten. 20,50 Euro