Robert Hamerling war Antisemit. Und wird über Gebühr geehrt
Von Thomas Trenkler
Vor genau sechs Jahren, im Juli 2013, präsentierte Andreas Mailath-Pokorny, damals Kulturstadtrat (SPÖ), den Historikerbericht über die Wiener Straßennamen. Zwei Jahre lang hatten Birgit Nemec, Peter Autengruber und Florian Wenninger unter der Leitung von Oliver Rathkolb insgesamt 4.379 personenbezogene Benennungen hinterfragt – und sie stießen auf 159, die sie kritisch einstuften. Denn die Namensgeber waren Antisemiten oder dem Nationalsozialismus zu nahe gekommen.
Der Bericht, als Buch veröffentlicht, nennt Politiker, Musiker, Sportler, Architekten, Wissenschaftler, Schauspieler, Geistliche – und auch viele Schriftsteller, darunter Maria Grengg, Hans Kloepfer, Franz Stelzhamer, Felix Dahn, Josef Weinheber und Max Mell. Einen Namen aber sucht man vergeblich – jenen von Robert Hamerling. Weil er einfach vergessen wurde.
Bereits in den 1980er-Jahren, als Ihr Tratsch-Partner Germanistik studierte, war der Verseschmied keine Erwähnung wert. Und jene, die sich seither an dessen Werken ergötzten, dürften eine echte Minderheit sein. Man möchte meinen: aus gutem Grund. Was aber nichts an der offiziellen Huldigung ändert: Besonders im Waldviertel, wo er 1830 als Rupert Hammerling in ärmliche Verhältnisse geboren wurde, stößt man allerorts auf den Namen des bekrönten Poeten. Die Kunsthistorikerin Ilse Krumpöck, viele Jahre lang als Kuratorin im Heeresgeschichtlichen Museum tätig, nennt unter anderem nach Hamerling benannte Straßen in Zwettl, Allentsteig, Raabs und Horn. Denkmäler, Büsten und Gedenktafeln gibt es in Litschau, Schrems, Karlstift, Krems und Waidhofen an der Thaya, es gibt zudem eine Warte, einen Gasthof und einen Rundwanderweg.
Auch Graz, wo der Dichter und Gymnasialprofessor 1889 starb, steht nicht nach in Sachen Hamerlingverehrung. Und in Wien findet man die Hamerlinggasse, den Hamerlingplatz samt Hamerlingpark und Hamerlinghof.
In ihrem kürzlich erschienenen Buch „Zündstofflieferant Robert Hamerling“ (Innsalz) arbeitet Krumpöck anhand vieler Quellen und noch mehr Belegen den Antisemitismus des Schriftstellers auf. Sicher: Ende des 19. Jahrhunderts gehörte Judenfeindlichkeit beinahe zum guten Ton. Man denke nur an Karl Lueger. Aber Hamerling hatte eine enorme Wirkung, er heizte die Stimmung richtiggehend an, weil er zu tief und zu oft in die Schublade mit Stereotypen griff. Über „Jüd’sche dreist verschlagne Tatkraft“ befindet er vor allem im späten Epos „Homunculus“: Da wird nach Herzenslust über „Schacherjuden“, „Wucherjuden“ und „Zeitungsjuden“ gedichtet, es tauchen „mauschelnde Finanzbarone“ und „schmutzige Judenhökerinnen“ auf.
Ilse Krumpöck will keine Umbenennungen, sie spricht sich für Zusatztafeln mit dem Text „Robert Hamerling – ein Wegbereiter des Antisemitismus“ aus. Am 6. September findet um 19 Uhr in der Wiener Buchhandlung Orlando (Liechtensteinstr. 17) eine Lesung statt – moderiert von Peter Autengruber. Er bekennt offen ein, dass die Historikerkommission den Namen Hamerling übersah. Aber er hat nun gleich, im Auftrag von Rathkolb, ein exzellentes Dossier erstellt. Und Rathkolb werde, so Autengruber, mit Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler über eine Zusatztafel reden.
Ach ja: Weil es so viele Hamerlingstraßen gab, wurde jene in Essling 1955 umbenannt – nach Kloepfer. Der steirische Lyriker und Arzt bejubelte den „Anschluss“ 1938 und dichtete über Hitler, „dass man weit in der Welt / net an liabern wo findt“. Man kann es also immer noch schlimmer machen...