Robbie Williams: Ernst ist was für Anfänger
Von Georg Leyrer
Ich bin anspruchsvoller geworden und weiß, was ich will.“ Kurz vor dem Konzert läuft Werbung für Hautcreme für die etwas reifere Haut, und das passt: In der Krieau kamen vorwiegend Menschen im besten Erwerbsalter zusammen, um gemeinsam den allerallergrößten Mädelsabend zu feiern.
Und weil man es sich inzwischen leisten kann, ließ man sich den besten Seelenstripper kommen, den das Popbusiness derzeit zu bieten hat: Robbie Williams. Beziehungsweise "Robbie Fucking Williams" (Eigendefinition).
Sie wissen schon, der mit den lustigen Augen.
Die gute Nachricht: Williams ist im Ringkampf mit seiner Karriere wieder an einem Punkt angelangt, an dem er sich, seine Musik oder die Beziehung zu den Fans nicht sabotiert. Sondern daran arbeitet, geliebt zu werden. „Liebt ihr mich noch?“, fragt er. Dabei ließen die 65.000 Fans in der Krieau von Anfang an keinen Zweifel an ihrer Liebe. Und die wurde entlohnt: Williams hat in zwei Stunden all das abgearbeitet, wofür man ihn schätzen muss. Er ist Vollblutentertainer, ein Unterhaltungsarbeiter, der mit Glitzersakko, Gehstock und Hüftschwung Extraschichten fährt.
Eindrücke vom Konzert
Ernst ernst
Mehrfach überpurzeln sich bei ihm der Selbstdarsteller und die Selbstironie; er ist der größte Selbstironiedarsteller des Pop. Sich selbst als Riesenbüste auf die Bühne zu stellen kann er ja nicht ernst meinen, denkt man sich.
Aber Williams meint wirklich nichts ernst – auch nicht, dass er es nicht ernst nimmt. Und nicht einmal das kann man ernst nehmen.
Verwirrt? Das ist gut so, denn in diesem Zustand lässt sich Williams’ Show am besten würdigen. Der Mini-Williams klettert auf den Riesen-Robbie-Schädeln herum, letztere klappen auf und geben Luftballons, Feuersäulen oder Wasserfontänen frei. Später gibt’s ein riesiges Affengesicht, dazu ein neues, goldenes Glitzersakko und viel Laufarbeit des Stars. Und gemeinsamen Frustrationsabbau: Das Publikum dankt für Popo- und Stinkefingerzeigen mit Ausdrucksgymnastik und „Angels“-Chor. Keine Zeit zum Nachdenken, hier wird gefeiert.
Titten! Pimmel!
Manchmal aber macht es Robbie einem nicht leicht mit der Liebe: Humor kommt bei ihm allzu gerne aus der allertiefsten Schublade. Titten! Pimmel! Eine von diesen lustigen Schürzen mit einem Penis vorn dran!
Was haben wir gelacht. Nein, geschmunzelt. Nein, eigentlich nichts davon. Williams hat auch weit jenseits des Bubenalters den Pimmelwitzzwang. Und tritt dann auf wie jener Typ, der auch 20 Jahre nach der Matura beim Klassentreffen in jede Gesprächspause einen dreckigen Witz wirft. In Williams’ Fall äußert sich das darin, einen weiblichen Fan aus dem Publikum zu holen, mehrfach „Titten“ zu singen, und dann noch gemeinsam im überdimensionalen Stehbett zu verschwinden. Naja.
Dabei kann Williams ja auch wirklich lustig sein. Zur Melodie des großen Take That-Melancholiesongs „Never Forget“ veräppelte er Oasis-Trotzkopf Liam Gallagher: Dieser würde es „never, never“ schaffen, 65.000 Fans zu einem Konzert zu bringen, ätzte Williams, und das Publikum sang amüsiert „Never! Never!“ mit. Schön.
Zwischen dem fulminanten Beginn und dem grandiosen Finaltripel „Feel“, „She’s The One“ und „Angels“ hing das Konzert ordentlich durch. Insgesamt aber ein überaus gelungenes Comeback des Boybandbuben: Man liebt ihn noch. Und über den nächsten Pimmelwitz lachen wir, versprochen.
KURIER-Wertung: **** von *****
Bei vielen der 65.000 Besucher war die gute Laune nach dem Konzert von Robbie Williams allerdings rasch verflogen. Tausende waren nach dem Konzert gegen 22.30 Uhr schwer frustriert, weil die U2-Stationen Krieau und Messe/Prater aus Sicherheitsgründen gesperrt wurden. Vor der gesperrten Station Prater bildeten sich teil schimpfende, teils abwartende Menschentrauben. Der Tenor: "Es kann nicht sein, dass die Wiener Linien bei so einem Großkonzert um 22.30 Uhr ihre U-Stationen sperren". Auch auf Twitter und Facebook gab es zum Teil empörte Kommentare. "Das Konzert war großartig, aber ich habe über zwei Stunden nach Hause gebraucht", postete eine Userin.
Tausende mussten nächstens zu Fuß den breiten Pfad durch den Prater und die Ausstellungsstraße weiter zur U-Bahnstation Praterstern oder zum Stadion ziehen. Besonders ortsunkundige Besucher von außerhalb der Stadt und Touristen ärgerten sich über die Sperre. Ähnliche Probleme mit der Abreise aus der Krieau gab es auch bereits nach dem Konzert von Bon Jovi im vergangenen Mai.
Die Rechtfertigung der Wiener Linien: Man habe im Vorfeld auf allen Kanälen informiert, dass Besucher des Konzertes für die An- und Abreise möglichst die U2-Station Stadion verwenden sollten. Die Station sei speziell für Großveranstaltungen ausgelegt und gewährleiste eine rasche Abfertigung der Züge. Die Stationen Krieau und Messe/Prater seien für so viele Fahrgäste nicht ausgerichtet. Einige äußerten auch Verständnis für die Sperre: "Verstehe einer, wieso hier schon wieder gemeckert werden muss. Station Stadion aussteigen und fertig", schreibt eine Userin auf der Facebook-Seite der Wiener Linien.