Kultur

Richard Wagner goes Jazz: Mit Seele, aber ganz ohne Pathos

Was haben der Swing-Großmeister Stan Kenton, der New Yorker Pianist und Komponist Uri Caine und der Wiener Trompeter Thomas Gansch gemeinsam?

Sie alle haben sich intensiv mit Richard Wagner – dem Mann mit dem „expressivo um jeden Preis“ (Friedrich Nietzsche) – befasst, dessen 200. Geburtstag heuer alle Welt feiert.

Nach dem furiosen Walküren-Ritt der Stan Kenton Band (1964) dauerte es lange, bis ausgerechnet der jüdische Pianist Uri Caine 1997 eine äußerst liebevolle und eher zarte Wagner-Interpretation beim Winter-Label einspielte: „Wagner e Venezia“.

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Zuletzt näherte sich auchGansch, der bereits mit Patti Smith, den Wiener Symphonikern und Kurt Ostbahn spielte und einen gewissen Hang zum gepflegten musikalischen Irrsinn kultiviert, dem Werk Wagners mit erfrischenden Beiträgen. Der Jazz-Trompeter kreierte mit Mnozil Brass zunächst die Wagner-Comedy „Hojotoho“ mit einer Mischung aus Blech, Tanz, Komik und hohem Schmäh-Faktor – am 5. Oktober im Wiener Konzerthaus. Dort ging zuletzt auch das Programm „Nibelung’s Ring a Ding“ mit der „little big band“ Gansch & Roses über die Bühne, das im Herbst auf CD erscheinen soll.

Gansch outet sich als „totaler ,Tannhäuser‘-Fan. Mir war Wagners Musik lange Zeit zu viel, zu lang, zu dick. Aber wenn man einmal hineingekippt ist, gibt es kein Zurück. Mein Bruder Hans, Trompeter bei den Wiener Philharmonikern und in der Staatsoper, sagte einmal zu mir: Die Einzigen, die ihm auch nach 15 Jahren im Orchestergraben nicht fad geworden sind, waren Mozart und Wagner.“

Freigeistig

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Bei Gansch (Bild links) werden die wagnerischen Motive leichtfüßig geschüttelt und gedreht: „Ich mache Musik eher so, wie Quentin Tarantino Filme macht. Ich kenne viel, remixe das, entwickle etwas Neues. Aus dem Walkürenritt kann ein irrsinnig klasser Jazzwalzer werden, der überhaupt nicht mehr der Walkürenritt ist, aber doch allgegenwärtig da. Man weiß, wo es herkommt, aber man weiß nicht, wo es hinführt. Es soll auf jeden Fall nicht vorhersehbar sein und doch vertraut klingen.“

Uri Caine hat für das Album „Wagner e Venezia“ (1997) ein Kaffeehausensemble engagiert, Gassenhauer wie den „Ritt der Walküren“ oder die „Tannhäuser“-Ouvertüre von Hitlers Lieblingskünstler für ein Kammerorchester umgeschrieben. Ohne Bläser. Das Besondere der venezianischen Aufführungen ist das leise, angenehme Klangbild ohne Pauken und Donnerschläge. Plötzlich ist Wagner nur schön – und nebenbei ganz schön italienisch. Die Seele der Stücke ist erhalten geblieben, sie werden nur umgedeutet – im klassischen Sinne neu interpretiert.

Wie bei Dieter Ilg, der sich zuerst Verdis „Otello“ mit Klavier-Trio widmete. Der Bassist spielt auch Wagners „Parsifal“ im Trio kammermusikalisch feinsinnig: „Das Monumentale wird sinnlich, das Sinnliche monumental.“

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Historische Aufnahmen
Der amerikanische Bigband- Leader Stan Kenton arrangierte auf dem Album „Kenton/Wagner“ (1964) Wagnerthemen zu Jazz- Stücken um. Bei Uri Caines CD „Wagner e Venezia“ (1997) klingt der Leib- und Magenkom- ponist König Ludwigs von Bayern ohne Bläser erstaunlich italienisch.
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Aktuelle CDs
„Parsifal – mit Richard unterwegs“ (Act) des Bassisten Dieter Ilg ist Klaviertrio-Jazz auf hohem Niveau. Der Drummer Eric Schäfer fragt „Who’s Afraid Of Richard W.?“ (Act), mixt „Walküre“-Melodien mit Lounge-Motiven und stellt Klassikmotive in den Kontext von Dub, Elektronik und Improvisation.