Kultur

Das süße, scheue Reh schlägt die Flüchtlinge aus der Votivkirche

Am Schluss blieb eine große Frage. Darf das sein, dass eine aus Flüchtlingen aus der Wiener Votivkirche bestehende Truppe beim Protest Song Contest nicht gewinnt?

Andererseits, soll sich die Jury dem Schwung der Moralkeule beugen und die „refugees of the vienna refugee camp“ mit ihrem „We love Vienna/Je t’aime Vienne“ einhellig auf den ersten Platz wählen?

Der Protest Song Contests im Wiener Rabenhoftheater, traditionell eine mit viel Enthusiasmus durchgeführte Spaßveranstaltung, bei der hauptsächlich ironisch-selbstreflexive Befindlichkeitstextchen dargeboten werden, sah sich bei seiner zehnten Ausgabe auf einmal mit der harten Realität konfrontiert: Sprechchöre und ein auf der Bühne vorgetragenes – und via FM4 im Radio verbreitetes – Manifest.

Dirk Stermann, zum letzten Mal Moderator der Veranstaltung, zeigte sich gerührt von dem Auftritt; die Jury bewertete ihn unterschiedlich. So dass am Schluss doch Benedikta Manzano mit einem launigen Protest-Chanson über die krisengebeutelten Märkte triumphierte: „... sonst läuft das Kapital davon, das süße, scheue Reh und sucht sich eine Wiese mit saftigerem Klee“.

Zehn Finalisten

25 Kandidaten waren bei der Vorausscheidung angetreten, zehn durften ins Finale am Dienstag. Die behandelten Themen reichten von Konformismus (Johnny V-Ausschnitt: „Rotzbremsn san wieder in“) über eher undifferenzierte Politikerschelte (Linksabbiega: „Dankbar“) bis zu Kritik am Konsum von Südfrüchten (Matatu: „Guerrabanana“).

Dritter Favorit der aus KURIER-Kolumnistin Doris Knecht, Regisseurin Mirjam Unger, Journalistin Nina Weißensteiner, FM4-Urgestein Martin Blumenau, Rapper Skero und Gewerkschafter Peter Paul Skrepek bestehenden Jury: die oberösterreichischen Anstaltskinda aka Kapitano Chaotico mit dem wütenden „Befrei Di“. Sie landeten, ex aequo mit den „refugees“, auf Platz zwei.

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