Kultur

Lobbyisten morden

In mehreren europäischen Eisenbahnen liegen tote Passagiere auf den Gängen, und es heißt: Das liege an Notbremsungen.

Auch am Wiener Franz-Josefs-Bahnhof wird eine Leiche mit Genickbruch entdeckt; und am WC sitzt eine gefesselte Frau, die dann noch dazu davonrennt.

Man darf also getrost sagen: Der Wiener Schriftsteller (und Musiker) Stefan Slupetzky – gefeiert für seine vier wunderbar skurrilen „Lemming“-Krimis – ließ sich im neuen RomanPolivka hat einen Traum“ wieder Außergewöhnliches einfallen.

Starke Geschichte. Ein hungriger, fader Bezirksinspektor hat plötzlich Pfeffer im Hintern und ermittelt auf eigene Faust in Frankreich und Brüssel. Es geht um Mord, vor allem aber um mörderische Lobbyisten.

KURIER: Bezirksinspektor Polivka ist 50 und wohnt nach der Scheidung bei seiner Mutter. Warum?

Stefan Slupetzky: Weil ihm die Mietpreise in Wien zu hoch sind.

Er denkt ständig an Würstel und hat Albträume von Salatgurken. Seine Lebensführung entspricht nicht dem heutigen Wellness-Ideal.

Und warum furzt er? Das Furzen müsste nicht unbedingt sein. Es weist auf seine Magenkrankheit hin, die wieder Ausdruck seines Leidens an der Entwicklung der Gesellschaft ist.

Hat die Krimiwelt einen wie Polivka noch gebraucht? Ich finde schon, dass so einer notwendig war. Er gehört – so wie ich – einer Generation an, die in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts sozialisiert wurde und deshalb weder mit dem überbordenden Wirtschaftsliberalismus noch mit dem zusehends demontierten Gesellschaftsliberalismus zurande kommt. Hier ist geradezu obszöne Narrenfreiheit für Spekulanten, Lobbyisten und Konzerne – und da die Überwachung und Bevormundung von 500 Millionen EU-Bürgern. Das macht ihn rasend. Dabei will er doch im Grunde nicht anderes, als in Würde austrinken und ausrauchen zu dürfen.

Womit wir bei Leuten wie Ernst Strasser und Alfons Mensdorff-Pouilly sind, die selbstverständlich NICHT im Roman vorkommen, daher haben wir es mit einem EU-Politiker Stranzer und einem Fürsten Oppitz-Marigny zu tun. Bei Stranzer und Oppitz mag sich das eine oder andere Versatzstück der von Ihnen genannten Herren wiederfinden. Insgesamt sind es aber exemplarische Figuren: Sie repräsentieren einen Menschenschlag, wie ihn die schamlose Verflechtung von Politik und Wirtschaft nun einmal hervorbringt.

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Sie sind einer der ganz wenigen guten österreichischen Krimiautoren. Aber der Markt ist überschwemmt. Leser sind außer Stande, die Spreu von Weizen zu trennen. Macht’s da nochSpaß, zu schreiben?Aus schöpferischer Sicht will ich es so formulieren: Trotz einer Weltbevölkerung von über sieben Milliarden Menschen habe ich große Freude an meinen gelungenen Kindern.

Lesen Sie denn selbst Krimis? Selten.

KURIER-Wertung:

INFO: StefanSlupetzky: „Polivka hat einen Traum“ KindlerVerlag .301 Seiten. 20,60 Euro.