Die Hochburgen der "Morgenröte"
Von Peter Pisa
Auch davon handelt "Zurück auf Start" – gleichsam der Epilog der abgeschlossenen Krimi-Trilogie zur Krise Griechenlands (die mit einem enthaupteten Banker anfing und mit der Rückkehr der Drachmen endete):
Deutsche arbeiten anders, erklärt Petros Markaris. Nämlich so: "Mir geht es gut, weil ich produktiv bin."
Hingegen sagt der Grieche, die Arbeit sei Zwang und keine Befriedigung ... und er wartet auf die Erlösung, den Feierabend, denn jetzt regiert die südländische Kunst des Amüsements – im Gegensatz zur deutschen Kunst der Produktivität.
"Eine Mischung aus Griechen und Deutschen wäre der ideale Europäer."
Im Gespräch mit seiner Übersetzerin Michaela Prinzinger lässt der Schriftsteller nicht gelten, dass er manchmal plakativ ist.
Der 78-jährige Markaris: "Ein bisschen griechische Laissez-faire und deutsche Disziplin. Ein bisschen griechische Sinnenlust und deutsche Konsequenz. Ein bisschen griechische Kommunikationsgabe und das deutsche Konzentrieren aufs Wesentliche. Ideal!"
In den Rücken
"Zurück auf Start" (wieso nicht "zum Start"?) hat viel zu bieten. Sprachlich allerdings nicht so sehr, denn – Zitat – Nachhilfeinstitute sind ein Dolchstoß in den Rücken der öffentlichen Schulbildung.
Ausnahmsweise ist ein derartiger Bildungsrücken aber unwichtig. Auch, dass sich die Spannung wieder in Grenzen hält, stört nicht.
Markaris soll "bloß" Sprachrohr sein. Soll etwas sichtbar machen, für das wir sonst keine Augen haben. Soll dadurch die Menschlichkeit wecken.
Sein Kommissar Kostas Charitos bekommt es diesmal mit heimgekehrten "Gastarbeitern" zu tun; und mit Zuwanderern aus Afrika; und mit dem mörderischen Geheimbund "Griechen der fünfziger Jahre", der Bekennerschreiben zurücklässt: "Kehrt um und geht zurück auf den Start!"
Und mit Neonazis bekommt er es zu tun. Und mit Polizisten, die Neonazis unterstützen.
Tsipras mag er
Der Roman erschien in Griechenland bereits 2012. Noch war keine Syriza in Sicht.
Aber die "Goldene Morgenröte" zog damals zum ersten Mal ins Parlament ein.
Schon deshalb hofft Petros Markaris – wie er heute in mehreren Interviews betont hat –, Alexis Tsipras möge nicht scheitern.
Die Nazi-Partei wartet.
Markaris hat Tsipras zwar nicht gewählt, ist aber überrascht, weil er als Regierungschef -– konsensbereit – das Notwendige durchzusetzen vermag.
(Den Finanzminister kann der Krimi-Autors überhaupt nicht ausstehen: Yanis Varoufakis sei arrogant und sage Unsinn.)
Lieber telefonieren
Im Krimi wird Charitos’ Tochter Katerina, die als Anwältin für Flüchtlinge arbeitet, vor dem Gerichtsgebäude niedergeschlagen.
Noch schlimmer ist: Ein Polizist hat zugeschaut bzw. weggeschaut – er telefoniert lieber.
Athener Polizeireviere in armen Gegend, wo viele Migranten leben, sind Hochburgen der "Morgenröte". Steht im Buch.
Petros Markaris hat es auch schon drastischer formuliert :
Dass von den 50.000 Polizisten zwei Drittel mit der Nazipartei sympathisieren und mitunter offen zusammengearbeitet wird.
KURIER-Wertung: