Péter Esterházy ist nicht zu fassen
Von Peter Pisa
Ein Buch, das man zusammenfassen kann, liest er nicht. Und schreibt er nicht.
Manchmal könnte man trotzdem fast glauben, es gerät so etwas Ähnliches wie eine Geschichte in Schwung.
Ungarn im 17. Jahrhundert, die Habsburger mischen sich im Königreich ein, die Osmanen kommen gefährlich nahe, die Kurutzen – die aufständischen Bauern samt dem verarmten Adel – werden selbst Teile Ungarns erobern.
Seite 26
Philosophiert ein Prinz: Ist nicht jeder Ungar ein bisschen Kurutze?
Antwortet der Geheimdienstchef: "Mir würde reichen, jeder Ungar wäre ein bisschen Ungar. Ich würde mich besser auskennen ..."
Auskennen ist beim Spionieren nicht möglich und schon gar nicht beim Lesen.
Péter Esterházy ist nicht zu fassen. Er öffnet eine Tür, hinter der er, so scheint es, Small Talk betreiben will.
Und dann ist man fassungslos, weil ... nehmen wir die sechsundzwanzigste Seite. Da steht "Das", sonst nichts.
Aber eine lange Fußnote folgt und beginnt mit:
"Die Seite ist unlesbar. Unter der Unlesbarkeit steht etwas, doch es ist kaum lesbar. Da scheint zu stehen: Die Kutsche fährt mit mir dahin ..."
Esterházy ist gut gelaunt. Er springt umher und verstreut Zitate. Sein Witz ist meist Sprachwitz. Man kennt sich nicht aus, ist überfordert, hat aber – sofern man solchen Spaß versteht – Spaß daran.
Es gibt auch Fußnoten, in denen sich der Budapester korrigiert (schreibt er "oben" von Mitteleuropa, verbessert er sich "unten", Mitteleuropa habe im 17. Jahrhundert überhaupt noch nicht existiert).
Es gibt sogar Fußnoten zu Fußnoten, mitunter mischt sich seine kongeniale Berliner Übersetzerin Heike Flemming ein.
"Die Mantel-und-Degen-Version" – wovon eigentlich ist das eine Version? Von Esterházys preisgekröntem Gesamtwerk, das sich mit seiner Familie beschäftigt, mit Ungarn, zuletzt (in "Esti") mit sich selbst, wobei er allerdings Hund ist oder Käfer oder ein Gemälde und man sich manchmal danach sehnt, er würde einfach bloß erzählen und nicht ständig fantasieren.
KURIER-Wertung:
INFO: Péter Esterházy: „Die Mantel- und-Degen- Version“ Übersetzt von Heike Flemming. Hanser Berlin. 240 Seiten. 20,50 Euro.