Kultur

"Ich fühle mich nicht cool"

Ich werde sehr oft gefragt, warum ich mir das immer noch antue. Das liegt daran, dass ich es liebe, Musik zu machen und Songs zu schreiben. Dieser Prozess fasziniert mich noch genauso wie damals, als ich anfing.“

Am Freitag veröffentlicht Paul McCartney „New“, das erste Pop-Album seit sechs Jahren, in dem er so frisch wie schon lange nicht klingt.

Im Pressegespräch in London verriet der Ex-Beatle, warum seine Alben sowohl mit fröhlichen, als auch mit nachdenklichen Untertönen gespickt sind.

KURIER: Einige Ihrer bekanntesten Songs – „Let It Be“ und „Yesterday“ – sind in schwierigen Zeiten Ihres Lebens entstanden. „New“ scheint aber aus einer Stimmung der Freude entstanden zu sein.
Paul McCartney:
Das stimmt, denn ich erlebe gerade eine sehr glückliche Phase meines Lebens. Ich habe mit Nancy eine neue Frau – und damit auch neue Songs bekommen. Aber es gibt schon auch einiges an Traurigkeit auf dieser Platte. Etwa die Stelle, in der ich mich erinnere, wie oft ich Schmerz in Lachen verwandeln musste, um damit umzugehen.

Die stammt aus dem Song „Early Days“, in dem es um die Anfangszeit der Beatles geht. Warum denken Sie gerade in dieser glücklichen Phase Ihres Lebens so wehmütig daran zurück?
Das kam einfach. Sie wissen ja, wie Musiker immer sagen, dass sie nur der Kanal sind, durch den die Songs auf die Erde kommen. Und an diesem Tag habe ich einen Song geschrieben und über die Vergangenheit nachgedacht. Speziell über mich und John in den Anfangstagen in Liverpool. Und ich bekam diese Bilder, wie wir in Plattenläden über Kopfhörer frühe Aufnahmen von Rock-Platten hörten, wie uns das beeindruckt hat. Lauter schöne Erinnerungen.

Woher kommt dann der traurige und kritische Aspekt in diesem Song?
Als ich über die Anfangszeit nachgedacht habe, kamen natürlich auch andere Erinnerungen hoch. Es kam schon oft vor, dass ich Schmerz in Lachen verwandeln musste. Und der Schluss ist eine leichte Kritik an Leuten, die immer sagen, sie wissen, was damals in Liverpool passiert ist. Ich sage: „Ich war dabei und das kannst du mir nicht mehr wegnehmen.“ Auch wenn du sagst, das und das ist damals passiert, dann antworte ich: „Warst du dort, oder hast du es nur gelesen?“

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Wünschen Sie sich mit dieser legendären Vergangenheit manchmal, dass Leute Ihr neues Album ohne den Bezug zu den Beatles hören könnten?
In einer unmöglichen Welt wäre es natürlich schön, wenn sie „New“ hören könnten, ohne zu wissen, was ich davor gemacht habe. Aber ich mache mir darüber keine Sorgen. Ich versuche nur, mich selbst nicht zu kopieren. Ein oder zwei Mal habe ich mich dabei ertappt, dass ich mich mit meiner Gitarre hingesetzt habe und gedacht habe, ich schreibe jetzt das neue „Eleanor Rigby“. Aber irgendetwas in mir sagt dann: „Nein, tu’ das nicht!“ Aber ich sehe die Vergangenheit nicht als eine Last. Ich schätze mich glücklich, dass ich das habe.

Haben Sie deshalb bei der „Out There“-Show in Wien so viele Beatles-Songs gespielt?
Speziell für die Shows wäre es schön, mehr neue Songs spielen zu können. Aber man erwartet von mir ein paar Hits aus der Vergangenheit. Und wenn ich etwa „Hey Jude“ nicht spiele, habe ich eine Gelegenheit verschenkt. Wir waren vor kurzem beim iHeartRadio-Festival in Las Vegas und haben dabei fast nur neue Songs gespielt. Das war gut. Aber als wir „Live And Let Die“ gespielt haben, Mann, darauf haben die Leute dann wirklich reagiert. Erst damit haben wir sie auf Touren gebracht.

Sie haben für „New“ mit jungen Produzenten wie Mark Ronson gearbeitet. Wie haben Sie die kennengelernt?
Mark Ronson war der DJ bei meiner Hochzeit mit Nancy. Er hat so großartige Musik aufgelegt, dass wir bis drei Uhr früh getanzt haben, also war klar, dass ich seinen Musikgeschmack mag. Und weil er so eng mit Sean Lennon befreundet ist, habe ich ihn auch persönlich schon gekannt. Giles Martin, den Sohn von George Martin, habe ich aufwachsen gesehen. Und Ethan Johns ist der Sohn von Glyn Johns, der auch einer meiner Beatles- und Wings-Produzenten war.

Hatten die den Mut, Ihnen im Studio zu widersprechen?
Das ist das Erste, was ich ihnen klar machte. Ich sagte, jeder in diesem Raum hat eine Meinung und ich will, dass ihr mir eure sagt. Kümmert euch nicht darum, dass ich das und das schon gemacht habe, sagt mir, wenn ihr denkt, dass ich etwas lausig gemacht habe. Und ich frage dann auch immer nach: War das gut? Dann sagen sie: „Nein, mach es noch einmal!“

Konnten Ronson und Martin so kritisch sein, wie John das war?
Nein. Aber John und ich sind zusammen aufgewachsen. Jeder der Beatles konnte dem anderen sagen, das und das gefällt mir nicht. Und das bedeutete, dass dieser Part rausfliegt.

Wie cool ist Paul McCartney heute noch?
Ich fühle mich nicht cool. Ich wünsche mir das manchmal, aber wer weiß schon, was das ist. Ich bin halt einfach ich.

In Las Vegas bei diesem Festival, da waren sehr viele Leute, die sehr cool waren. Alle mit einem Haufen Bodyguards, mit ernstem Blick und permanent in ihr Handy tippend. Und weil ich ich bin, bin ich da hinein, habe gewunken: „Hi Miley“. Und sofort dachte ich: „Oh mein Gott, was mach’ ich da, ich klinge wie ein Fan!“ Sie hat mich gar nicht bemerkt, ist einfach weitergegangen. Aber da dachte ich schon, ich sollte vielleicht cooler sein.