Kultur

Die Schamanin des Punk auf Wien-Besuch

Zum Kehraus und dem Who-Cover "My Generation" essen manche der vielen rüstig-agilen Vorruheständler im Publikum noch rasch eine Currywurst mit Pommes und tragen das gerade Gehörte – "I'm so young, I'm so goddamn young" – im Herzen heim.

Auch der Trotzkopf auf der Bühne ist grau geworden. Die Schamanin des Punk singt am Anfang eindringlich die berühmten ketzerischen Lyrics von "Gloria": "Jesus died for somebody's sins, but not mine". Für ihre Sünden wurde Jesus nicht gekreuzigt. Wir sind bereit, zur Grundsteinlegung der Punk-Bewegung zurückzukehren. Schließlich hat Patti Smith, 68 Jahre jung, einst das Hippie-Erbe geschickt mit der Punk-Kultur versöhnt.

Rough Art Rock

Sie führt ihr Debütalbum "Horses" von 1975 – das Rolling Stone-Magazin hat es auf Platz 44 der 500 besten Alben aller Zeiten gelistet – von A bis Z notengetreu Dienstag in der ausverkauften Arena auf. Sogar mit Veteranen von vor 40 Jahren: Lenny Kaye (Gitarre) und Jay Dee Daugherty (Drums).

Ähnliches haben auch schon David Bowie oder Pink Floyd gemacht. Aber das hier ist zeitloser Rough Art Rock. Rebellisch und ausdrucksstark. Das Wiederhören von "Birdland", dessen Poesieteil die Smith vom Blatt abliest, und das kraftvolle "Free Money" provozieren doch Gänsehaut und ein paar Extrasystolen zur Erinnerung an die Zeit, als der Punkrock noch heiß war.

Ungeschminkt

Konserviert wirkt hier nichts. Exakt um 20.44 Uhr der fürsorgliche Hinweis von Mrs. Smith: "Das war die Seite A. Wir drehen die Platte um. Die Nadel senkt sich jetzt in die Rille der B-Seite." Da sind sie plötzlich wieder – die Bilder im Kopf zu den Songs der Mystikerin: Bilder von Sex, Anarchie, Selbstmord, Aliens ... Und im Titelsong löst sich eine homosexuelle Vergewaltigung in feuerspeienden Pferden auf.

"Elegie" ist dem im September 1970 verstorbenen Jimi Hendrix gewidmet. Und all den anderen Freunden und Weggefährten, die vor ihrer Zeit gehen mussten: Robert Mapplethorpe, Joe Strummer, Johnny Ramone, Lou Reed ... Dann legt sie noch ein halbes Dutzend Songs drauf, darunter ein Velvet-Underground-Medley – und schreit ein "People Have the Power".

KURIER-Wertung:

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