Kultur

Bunter Abschied für eine Tankstelle

Die schönen Dinge im Leben dauern doch immer nur kurz“, sagt Künstler Markus Tripolt über sein Kunstprojekt "Paint back!" Denn das Objekt seiner Idee wurde am 7. August zum Großteil abgerissen. Doch dies ist kein Vandalenakt. Der Abriss der Tankstelle in der Wiener Feldkellergasse Ecke Speisingerstraße (13. Bezirk) war von Beginn an Teil des Projekts.

Mit "paint back!" will Tripolt Gebäuden, die vor dem Abriss stehen, zu einem letzten großen Auftritt vor ihrem endgültigen Verschwinden verhelfen. In diesem Fall wurde die Tankstelle zunächst mehrfach weiß getüncht, wodurch sie einen papierenen Modell-Charakter bekam. Anschließend bemalte Tripolt das Gebäude gemeinsam mit Jugendlichen mit bunten Farbtönen und betonte so seine Bauform. "Sogenannte urbane Tristräume werden beseitigt und in temporäre Kunsträume umgedeutet", heißt es in der Projektbeschreibung. Was hier in schönstem Kuratorendeutsch ausformuliert ist, brachte Tripolt dennoch nahe an die ansässige Bevölkerung.

"Die schönste Tankstelle der Welt"

Denn als die Tankstelle nach sechs Wochen Buntheit am Mittwoch abgerissen wurde, hatte so mancher das Funktionsgebäude bereits ins Herz geschlossen. "'Das ist die schönste Tankstelle der Welt', hat ein kleines Mädchen zu ihrer Mutter gesagt," erzählt Tripolt im KURIER-Gespräch. Viele Leute im Grätzel hätten reges Interesse gezeigt, die Tankstelle noch schnell fotografiert. "Ich habe das Gefühl, dass ich mit dieser Aktion wesentlich mehr Feedback bekomme, als wenn ich im Mumok ausstellen würde," so der Künstler. "Die Leute sind plötzlich daran interessiert, was in ihrem Umfeld passiert, wollen wissen, was nachher hier herkommt."
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Das "pay back!"-Projekt im Zeitraffer

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"Farbe wird als Gefahr empfunden"


Mit "paint back!" will Tripolt "Veränderungsprozesse in unserem Umfeld sichtbar machen". Damit dies besonders gut gelingen könne, suche er sich von vornherein Gebäude aus, die "weggehen". Die ungewohnt kräftige und flächige Farbgebung im Stadtbild soll die Wahrnehmung und die Unterscheidungsfähigkeit fordern und den Passanten neue, außergewöhnliche Blickfelder in gewohnter Umgebung eröffnen.

"Für eine derartige Farbgestaltung würde man in Wien auf Dauer keine Bewilligung bekommen", meint der 47-jährige Malermeister
und Grafikdesigner. "Farbe wird als Gefahr empfunden". Lediglich in einem kommerziellen Kontext sei Farbe willkommen - "um etwas zu verkaufen", so Tripolt. Der derzeit seiner Meinung nach vorherrschenden Architektur-Modefarbe Anthrazit will er eine kommerzfreie Farbenfreude entgegensetzen.

Programm für arbeitslose Jugendliche

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Gemeinsam mit dem Humanethologen Michael Czerny hat Tripolt - der selbst auch Trainer für Erwachsenenbildung ist - parallel dazu ein Trainingsprogramm für arbeitslose Jugendliche zwischen 15 und 30 Jahren entwickelt. Bei dem Tankstellen-Projekt, der ersten "paint back!"-Aktion, bekamen mehrere Teilnehmer die Möglichkeit, nichtformale Lernerfahrungen in den Bereichen Handwerk, Kunst sowie multimedialer Projektaufbereitung zu machen.

Sechs Wochen lang war die Tankstelle in Wien-Speising nun mit Hilfe der Jugendlichen bunt bemalt. Als das Objekt abgerissen wurde, war das für Tripolt "noch schöner, als ich es mir vorstellen konnte." Die Tankstelle wurde dann letztlich nicht mehr, wie zunächst geplant, schwarz übermalt. Ursprünglich hätte dies den Zyklus des Projekts mit der Farbe des Vergehens symbolisch abschließen sollen. "Viele Kinder haben aber gesagt: 'Das darf man nicht machen.' Daher wollten wir die Buntheit im Abriss erhalten."

Dauerpenetration mit Kommerz

Das Projekt richte sich laut dem Künstler auch gegen die "Vereinheitlichung des öffentlichen Raums in Europa durch Konzerne, die die Gestaltung bestimmen." Tripolt nennt ein Beispiel: "In den 1920er-Jahren gab es in Wien noch 350 Schildermaler, für die war die Stadt berühmt. Heute gibt es keinen einzigen mehr".

"Die Dauerpenetration mit Werbung und Kommerz ist etwas, worunter die Bevölkerung, auch junge Leute, leidet. Man wirft ihnen dann oft vor, sich nicht einzubringen. Aber, bitte, wo sollen sie sich einbringen?" Ihm ist bewusst, dass der Titel "paint back!" durchaus als rebellisch wahrgenommen werden kann. "Ich halte ihn aber für zutiefst vernünftig. Ich hefte mir nicht das Rebellentum auf die Fahnen, sondern die Vernunft". Und so soll "paint back!" zeigen, wie man im Kleinen selbst wirksam werden könne. "Die Arbeit mit den arbeitslosen Jugendlichen hat diese Selbstwirksamkeit wunderbar gezeigt", so Tripolt. Es gehe darum, den öffentlichen Raum zurückzugewinnen, "mit Betonung auf Gewinn. Aber ohne kommerziellen Gewinn, sondern mit Lebensgewinn".

Im Herbst möchte er sein Projekt fortsetzen. Nahe der U4-Station Meidling, wo auf den Komet-Gründen ein Hochhausbauprojekt läuft, will Tripolt ein weiteres Mal Farbe ins Spiel bringen. Er bemühe sich bereits um Bewilligungen, um das ehemalige Komet-Möbelhaus, das abgerissen werden soll, bemalen zu können. Um öffentliche Förderungen will er übrigens gar nicht mehr ansuchen. Da bisher keine bewilligt worden seien, möchte Tripolt seine Projekte auch weiterhin mit privaten Sponsoren finanzieren.

Link: www.paintback.net

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