Kultur/Oscar

Oscar: Erstmals triumphierte ein europäischer Film

Diese Oscarnacht wird zweifellos in die Geschichte eingehen. Nicht nur, weil man tatsächlich versucht hatte, den Hund aus "The Artist" als besten Darsteller zu nominieren (Tatsächlich bekam er dann in der Nacht vor dem Oscar das Goldene Halsband verliehen).

Oder weil Angelina Jolie (als Moderatorin) mit glänzendem Gesicht die edelste Schweißperle dieser überraschungslosen 84. Oscar-Gala war. Vor allem aber, weil erstmals in der Geschichte des Oscars ein europäischer Film in allen wichtigen Kategorien gesiegt hat. Das schwarz-weiße, französische Nostalgiebad "The Artist" (zur Zeit auch bei uns im Kino) gewann die wichtigsten Kategorien: Bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller. Möglich wurde das nur durch die Tatsache, dass es sich dabei um einen Stummfilm handelt. Denn nominiert werden traditionellerweise nur Englischsprachige Filme.

Die Romanze "The Artist" triumphierte damit über den ebenfalls der Frühzeit des Kinos gewidmeten "Hugo Cabret" von Martin Scorsese: der seine fünf Oscars nur in technischen Disziplinen bekam. Beide Filme - sowie die gesamte Gala - waren mehr Rückschau als Zukunftsentwurf: auf jene Zeit, als Film erfunden wurde bzw. der Stummfilm sich zum Tonfilm wandelte ("The Artist"). Letzterer ist zwar epigonal und nicht gerade präzise was historische Zitate betrifft (der bessere Film zum selben Thema ist "Singing in the Rain". Ja, der Klassiker). Aber der schön gescheitelte, schwarz-weiße Film hat offenbar einen (sentimentalen) Nerv der Zeit getroffen, ohne die Gemüter zu erschüttern. Befindet sich doch die Filmbranche gerade im Umbruch von Zelluloid ins digitale Zeitalter. "Heute kann man ja Filme schon am Handy schauen", kommentierte auch Billy Crystal, der mit geballter Gelassenheit und gewohntem Charme moderierte.

Es gab auch Performances, die den glamourösen Ansprüchen des Abends ideal entsprachen: Meryl Streep, zum 17. Mal nominiert, gewann zurecht für ihre senile Darstellung von "Die eiserne Lady" (ab nächster Woche im Kino) ihren dritten Oscar. Ihr zweiter ist 30 Jahre her. Sie ist als Maggie Thatcher weitaus überzeugender als der zugehörige, für ein Politikerporträt allzu unpolitische Film. Die Streep zelebrierte in ihrer Rede Gefühligkeit und dankte von Herzen als erstes ihrem Ehemann: Liebe und Freundschaft, meinte sie, seien ohnehin wichtiger als das Business.

Christopher Plummer (bester Nebendarsteller für "The Beginners" und einer der ansprechendsten Preise des Abends) hatte davor die witzigste Dankesrede gehalten. Schon als Kind hätte er eine mögliche Oscarrede geprobt. 82 lange Jahre jetzt darauf warten müssen.

Bleibt noch der ungerechteste Oscar dieser Nacht: nämlich die Auszeichnung für das beste Drehbuch an Woody Allen für das konventionelle, klischierte "Midnight in Paris". Dieser Oscar ("Der heißeste Typ im Raum", wie eine der Preisträgerinnen die Statue nannte) hätte der Frauenkomödie "Brautalarm" gebührt.

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