ORF-Premiere: "Das weiße Band" von Haneke
Diesen Tag wird Michael Haneke sich wohl in seinem Kalender rot einringeln. So früh hat man einen seiner Kinofilme noch nie im Fernsehen gespielt. Meist zeigt der ORF österreichische Filme, deren Mitfinancier er ist, ab 23 Uhr. Womit wir gleich bei Nummer 1 der unglaublichsten Fakten sind: die Sendezeit um 20.15 Uhr. Und das, obwohl das Filmkunstwerk, das mysteriöse Geschehnisse in einem deutschen Dorf am Vorabend des Ersten Weltkriegs erzählt, schwarz-weiß und 144 Minuten lang ist. Was uns zu Faktum Nummer 2 führt. "Das weiße Band" war als TV-Mehrteiler geplant. Jean-Claude Carriere half mit, das Drehbuch auf Kinolänge zu bringen. Der Titel stammt übrigens aus echter Erziehungsliteratur aus dem 19. Jahrhundert. Damals diente das weiße Band zur demütigenden, weil für alle sichtbaren Bestrafung.
Aus 7000 Kindern wurde ausgewählt
Hanekes Genauigkeit bei historischen Details führte noch weiter: für die Dreharbeiten ließ er auf einem Feld historischen Roggen (Nummer 3) anpflanzen: "Damit er die richtige Höhe hat wie Anfang des Jahrhunderts". Dem Vernehmen nach wuchs der Roggen dann nicht wie erwartet, und Haneke musste doch ein anderes Feld filmen.
Und wenn wir schon bei den Dreharbeiten sind: Insgesamt 7000 Kinder (Nummer 4) wurden von Hanekes Casting-Direktor
Markus Schleinzer ausprobiert, um die richtigen Darsteller zu finden. Die Arbeit mit Kindern ist wegen der Rechtslage in Deutschland kompliziert, da Kinder unter sechs Jahren nur zwei Stunden, solche über sechs nur drei Stunden am Tag arbeiten dürfen.
Aber auch die Erwachsenen hatten es nicht immer leicht. So sehen wir den wortkargsten Auftritt Birgit Minichmayrs (Nummer 5) in einem Kinofilm jemals. Sie sagt: "Er war's!" und schneidet sonst Gemüse.
Branko Samarovski, der einen Bauern spielt, wurde synchronisiert. Weitere Schauspieler am Werk sind Sepp Bierbichler, Susanne Lothar, Ulrich Tukur und Burghart Klaußner.
In Farbe gedreth, dann auf Schwarz-Weiß kopiert
Gedreht wurde der Film übrigens in Farbe (Nummer 6) und erst nachträglich digital bearbeitet und auf Schwarz-Weiß-Film kopiert. Gründe dafür waren, dass das deutsche Fernsehen einerseits zuerst auf einer Farbkopie des Films bestand. Andererseits ist das Schwarz-Weiß-Filmmaterial zu wenig lichtempfindlich, sodass die Arbeit mit Kerzen und Petroleumlampen nicht möglich gewesen wäre.
Bleiben noch die Fakten zur unglaublichen Erfolgsgeschichte. Als der Film die
Goldene Palme in Cannes gewann und auch noch um den Auslands-Oscar antrat, entbrannten zwei lebenswichtige Fragen: Ist Haneke nun Deutscher oder Österreicher? Haneke ist Österreicher (Nummer 7) , aber zufällig in München geboren, weil seine Mutter sich kurz vor der Geburt an der Grenze aufgehalten hatte. Das normalerweise nur den Fußball begleitende Match zwischen Deutschen und Österreich ging aber weiter: Frage 2 lautete nämlich, ob dieser Film nun ein deutscher oder ein österreichischer Film sei? Wie schon beim Fußball ging dieser Sieg an Deutschland, stammt der Großteil der Produktionsgelder doch aus deutschen Taschen.
Golden Gobe- und Oscar-nominiert
Also: "Das weiße Band" ist ein deutscher Film (Nummer 8). Die Liste seiner Auszeichnungen ist jedenfalls lang: Neben dem Preis für den besten europäischen Film gab es den Golden Globe und eine Oscarnominierung. Beim deutschen Filmpreis stellte das "Das weiße Band" mit 13 Nominierungen einen neuen Rekord auf und gewann schließlich zehn davon (Nummer 9) .
Zwei Jahre hat es nun bis zur öffentlichen Fernsehausstrahlung gedauert, was an rechtlichen Sperrfristen liegt. Staatlich geförderte Filme dürfen erst 18 Monate nach regulärer Erstaufführung im frei empfangbaren Fernsehen gespielt werden (Nummer 10) . Ein Antrag auf Verkürzung dieser Frist kostet oft mehr als die Hälfte der Produktionsgelder.
Haneke selbst ist da schneller: Sein neuer Kinofilm: "Amour" ist bereits fertiggedreht und wird wohl 2012 in
Cannes seine Premiere haben. Diesmal ist es - um die Nationenfrage gleich zu klären - ein (mit Österreich koproduzierter) französischer Film mit Isabelle Huppert und Jean-Louis Trintignant.