Nicolas Cage im Interview: "Horrorfilme haben mich immer angezogen"
Oscarpreisträger Nicolas Cage hat anlässlich der Österreichpremiere seines neuen Films „Mandy“ bei der Eröffnung des 9. /slash Filmfestivals am Donnerstag das Wiener Gartenbaukino besucht. Cage spielt in dem Rachethriller den Holzfäller Red, der die Mörder seiner Partnerin Mandy blutig zur Strecke bringt. Mit der APA sprach Cage über die Vorteile des Horrorgenres und seinen inneren Hexenkessel.
APA: Was hat sie dazu bewogen, an „Mandy“ mitzuarbeiten?
Nicolas Cage: Elija Wood, mit dem ich „The Trust“ gedreht habe, hat die Produktionsfirma Spectrevision gegründet und mich gefragt, ob ich „Beyond the Black Rainbow“ von Panos Cosmatos gesehen habe. Er erzählte mir von dem großartigen Drehbuch für „Mandy“, das Cosmatos verfasst hat und meinte, dass wir Panos treffen sollten, weil dieser mich als den Bösewicht Jeremiah Sand in seinem Film wollte. „Beyond the Black Rainbow“ hat einen ziemlichen Stepptanz auf meiner Psyche hingelegt - ich habe eine Woche nicht schlafen können. Der Film ist mir richtig unter die Haut gegangen. Ich habe Panos getroffen und fand ihn sofort faszinierend. Ich sehe in ihm einen wirklichen Künstler, er hat es mir echt angetan. Ich wollte den Protagonisten Red spielen, also wurde es zunächst nichts. Erst später habe ich erfahren, dass Panos einen Traum hatte, in dem ich Red tatsächlich spielte. Er rief mich an und wollte es versuchen. Ich habe sofort zugesagt, weil ich glaube, dass Panos Welten erschaffen kann, die völlig seiner Vorstellungskraft entspringen. Er ist sehr originell und ich wollte mit ihm arbeiten. Das hat uns zusammengeführt.
APA: Wurden die Erwartungen an die Zusammenarbeit mit Panos Cosmatos erfüllt?
Cage: Ja, schon bevor ich die Arbeit begonnen hat. Während der Dreharbeiten habe ich nicht an das Ergebnis gedacht, da ich zu sehr in meine Rolle vertieft war, ich habe mich zu sehr auf die unmittelbare Arbeit konzentriert. Ich habe mich wie unter Wasser gefühlt. Ich wusste, dass ich mich in einer Welt bewege, die etwas völlig Neues für mich war. Panos arbeitet sehr präzise und weiß genau, was er will. Das ist ein Luxus, mit so einem Regisseur zusammenzuarbeiten. Er hat auch einen großartigen Humor und wir haben viel Spaß gehabt - auch wenn das bei einem so düsteren Film schwer vorstellbar ist. Das war auch eine Befreiung zwischen den Szenen. Der Prozess bestand für mich vor allem darin, mich mental und emotional auf bestimmte Szenen vorzubereiten, wo ich einen Nervenzusammenbruch spielen musste. Da musste ich mich regelrecht aufladen. Beispielsweise wusste ich für die Badezimmerszene, dass ich mich selber in diesen Schmerz hineinsteigern musste. Man hat auch nur wenige Drehversuche, bevor man diese Energie wieder verliert. Zum Glück weiß Panos was er will und wenn er es hat, er verzögert nichts. Ich finde das sehr beruhigend, dass ich mich emotional zu einem Punkt bewegen kann, aber dort nicht dauernd verweilen muss.
APA: Während der Dreharbeiten hatte Panos offenbar kaum Druck seitens der Produzenten. Stimmt das?
Cage: Ja das stimmt. Die Produzenten haben viel Rücksicht auf den Regisseur genommen. Wenn man einen Film mit kleineren Budgetdimensionen macht, hat man einige Freiheiten. So bleibt der Regisseur der einzige Koch in der Küche und kann seine Vision umsetzen. Wenn man 200-Millionen-Dollar-Filme macht, hat man immer viele Produzenten vor Ort, die sich mit dem Filmemachen nicht besonders gut auskennen und mit ihrem Einfluss die Luft aus der Sache lassen.
APA: Die von Ihnen verkörperte Hauptfigur Red spricht nicht viel, macht aber dennoch eine große Entwicklung durch. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Cage: Normalerweise gibt man mir immer massenweise Dialog in einem Film. Ich soll immer viel reden. Ich habe es als Luxus empfunden, nicht so sehr vom Dialog besessen zu sein, sondern stattdessen mein persönliches Innerstes zu erforschen, um auf die notwendigen Emotionen zurückgreifen zu können. Aus den Tiefen des inneren Hexenkessels konnte ich etwas an die Oberfläche bringen, das Red zum Leben erweckt. Das war für mich ein großes Abenteuer.
APA: Markus Keuschnigg, der Leiter des /slash Filmfests, hat „Mandy“ als „Apotheose Ihrer Schauspielkunst“ bezeichnet. Was halten Sie davon? Ist „Mandy“ Ihre bisher beste Arbeit?
Cage: Mit Panos' Hilfe ist es definitiv eine sehr fokussierte Arbeit geworden. Es war aber eine sehr innerliche Darstellung, bei der ich nicht jede Geste kontrolliert habe, sondern mich vielmehr von ihnen zu den authentischen Emotionen leiten ließ, die ich für die Darstellung brauchte. Ich glaube, dass die unterschiedlichen Figuren, die ich bisher gespielt habe, andere Ausdrucksmittel benötigten. „Mandy“ unterscheidet sich definitiv von allem, was ich bisher gemacht habe. Daher ist es diesbezüglich auch etwas Besonderes.
APA: Sie besuchen das /slash Filmfestival zur Österreichpremiere von „Mandy“ . Was ist Ihr persönlicher Zugang zum fantastischen Film?
Cage: Fantastischer Film war mir immer wichtig, denn er gibt mir die Freiheit, abstraktere Träume zu erkunden. Als Schauspieler hast du im Horror- und Science-Fiction-Genre unendliche Möglichkeiten, weil Du in einer anderen Welt, einer anderen Dimension bist, wo nicht die Regeln der realen Welt gelten. Beim Horrorfilm kannst Du jemanden spielen, dessen Kopf explodiert, weil er seine Seele dem Teufel verkauft hat. Das ist eine andere Dimension mit anderen Regeln, sodass ich stilisierter und abstrakter spielen kann, ohne durch die Grenzen der realen Welt beschränkt zu werden. Ich konnte so auch den deutschen expressionistischen Stil von beispielsweise Max Schreck in „Nosferatu“ erforschen. Horrorfilm ermöglicht es mir, mehr zu erkunden - das hat mich an dem Genre immer angezogen.