Nicht nur Schwedenbomben sind gut
Von Peter Pisa
2008 hat Heinrich Steinfest, "unser" Wiener in Stuttgart, eine "Gebrauchsanweisung für Österreich" geschrieben .
Er war damals 46 und bekannt für sogenannte Krimis mit sprechenden Ohren und exzentrischen Bäumen (später kam dann z.B. noch ein junger Spatz dazu, der träumte, Polizist zu sein).
Steinfest rechnete nicht ab, er hat bloß aus der Ferne einiges erkannt, etwa dass André Heller ein "Großmeister der Peinlichkeit" ist.
Positiv fand er damals nur Schwedenbomben , Gugging, Waldmüller, Stifter.
Diese Woche wurde das Buch neu aufgelegt – mit einem zusätzlichen, versöhnlichen Kapitel: Österreich schmeckt jetzt viel besser.
Nicht wie ein erschlagenes Kalbsbeuscherl.
Steinfest und seine Partnerin, ebenfalls Wienerin in Deutschland, reisten zu vertrauten Orten früherer Jahre. Von Hinterthiersee in Tirol zu den Nussbeugerln von Wien ("künstliches Kniegelenk der Seele") und zum Inzersdorfer Friedhof, wo er einmal liegen will.
KURIER: Sind also nicht nur die Schwedenbomben fein?Heinrich Steinfest: Natürlich gibt es da eine Menge an Gutem und Schönem. Aber es geht ja wohl um diese spezifisch österreichische Tanzform, bei der die schönen sich mit den hässlichen Dingen im Kreis drehen und dabei auch noch blendend aussehen. Schrecklich schön!
Man könnte meinen, Sie werden im Alter sentimental ...
Der Blick ändert sich mit jedem Jahr, das ist nur normal. Es gibt da nichts Objektives, nur den sich verwandelnden Blick. Sentiment ist sicher das Privileg der späten Jahre. Manche sagen Verblödung. Vielleicht ist es aber bloß diese gewisse Freiheit, die blöd anmutet.
Kommen S’ nach Hause!
Stuttgart ist die Schanze, auf der ich stehe und darauf warte, hinunterzugleiten, um dann nach Österreich hinüberzuspringen. Ich hoffe auf eine Telemarklandung.
Ist ja kein Malheur, wenn Sie etwas dazugelernt haben in zwei Jahrzehnten Stuttgart.
Bertrand Russell sagte einmal, dass die Unglücklichen und die Schlaflosen immer auch ein bisschen stolz auf ihr Malheur seien. Ich finde, das trifft die Österreicher sehr gut, dieser spezielle Stolz auf ein Malheur. Es ist das Wort, Malheur, das hier so passend ist. Sein Klang.
Sie haben Selbstironie. Hat Österreich Selbstironie?
Auf jeden Fall. Aber vorgetragen mit großer Ernsthaftigkeit. Die Operette, die sidh für eine Oper hält. Das Kabarett, das die Züge eines Grundkurss für Philosophie und experimentelle Physik trägt.
Und die Politik?
Die österreichische Politik gibt vor, einen großen Gesellschaftsroman zu verfilmen, während sie in Wirklichkeit eine Art austriakische Version sämtlicher Rocky-Filme plus "Rocky – Das Musical" auf die Leinwand bringt.
Eine andere Antwort, bitte.
Kunsthistorisch gesprochen: Die österreichische Politik gibt vor, ein Gemälde im Stile von Waldmüller zu malen, aber letztlich kommt etwas heraus, was – absurderweise – viel mehr den berüchtigten "Ferkeleien" des Wiener Aktionismus entspricht.
Heinrich Steinfest:
„Gebrauchsanweisung für Österreich“
Piper Verlag.
224 Seiten.
15,50 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern