Kultur

"Vergeltung": Schlecht geschnitzter Rambo

Steigt ein junger Mann am Flughafen aus dem Zug. Er hat kein Gepäck. Und, ganz besonders ungewöhnlich, er hat einen iPod-Kopfhörer baumeln.

Was schließen wir daraus? Richtig, den hat die El-Kaida nach New York geschickt.

Dave Collins (= einstiger US-Elitesoldat und jetzt Sicherheitschef am JFK-Flughafen) wird ihm in allerletzter halber Sekunde eine Kugel in den Kopf schießen. Dass inzwischen ein Flugzeug in der Luft explodiert und brennende Wrackteile in einen Straßentunnel rutschen – was für mehr als 500 Tote sorgt, da hat der Roman noch gar nicht g’scheit angefangen –, das weiß Dave Collins noch nicht. Wird er aber gleich erfahren. Seine Frau und sein kleiner Sohn waren an Bord ...

Der Amerikaner Don Winslow gilt für viele als derzeit bester Thrillerautor. Seine kalifornischen Drogen-&- Surf-Romane gelten als brutal, aber ultracool. „Zeit des Zorns“ wurde von Oliver Stones verfilmt.

Der Tiger

Jetzt wollte der 60-Jährige etwas Neues ausprobieren.Und erzählt im soeben auf Deutsch erschienenen Thriller „Vergeltung“ die alte Rambo-Geschichte eines privaten Rachefeldzugs.

Ein enttäuschendes Buch. Spannend zwar, das steht außer Frage, aber ziemlich tot.

Winslow ist bekannt für seine Schnitzereien. Er lässt in seinen Texten nicht viel übrig. In eigenen Worten: „Wie schnitzt man einen Tiger? Man nimmt einen Block Holz und schneidet alles weg, was kein Tiger ist. Ich möchte, dass meine Sätze muskulös und schlank sind.“

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Oft schreibt er ein, zwei Wörter nur, dann macht er einen Absatz, und das hatte bisher Wirkung.

Auch jetzt steht z. B. wieder geschrieben:

Steig ins Boot. Nein, ertrinke. Nein. Schwimm, du Arschloch. Links, rechts ...

Aber diesmal entsteht dadurch gar nichts.

Also halten wir das Bisschen fest, das es zu lesen gibt: Die US-Regierung vertuscht, dass das Flugzeug abgeschossen wurde. Ein neuerlicher Terroranschlag würde ja bedeuten, dass Amerika den Krieg verloren hat. Deshalb wird verkündet, ein technisches Gebrechen habe zu dem Unglück geführt.

Dave Collins weiß es besser: Eine Handy-Kamera hat den Einschlag einer winzigen Rakete gefilmt.

Mit einer Söldnertruppe macht er deshalb Jagd auf Osamas Nachfolger Aziz. Der sitzt nicht in einer Höhle, sondern spaziert durch Hamburg, isst gern, zieht sich elegant an. Für Aziz ist Terror ein Geschäft.

Zielpersonen vor Ort. Alpha Team im Raum. Bravo auf dem Dach. Delta in der Lobby. Alpha bereit ...

So leer ist der Roman. Schade ist das.

KURIER-Wertung: