Nat King Coles Musik als Vaterersatz
"Meine Mutter sagt, ich war fünf, als ich diesen kleinen Song schrieb, auf Band aufnahm und ihn ihr vorspielte, als sie von der der Arbeit heimkam. Ihre Reaktion war: ,Da klingst du wie Nat King Cole!"
Gregory Porter erinnert sich noch genau, wie er danach – heimlich – die Plattensammlung der Mutter durchsuchte und "diesen eleganten, coolen, stylischen Mann" sah. Und mehr noch an den Klang der Musik von Nat King Cole: "Das war so ein fürsorglicher, nährender Sound mit weisen Worten und Ratschlägen. Das hat etwas von der Lücke gefüllt, die die Abwesenheit meines Vaters in mein Leben gerissen hat."
Seit damals war die Musik des ersten schwarzen Superstars ein Haupteinfluss auf Gregory Porter. Deshalb veröffentlicht der 46-Jährige heute das Album "Nat King Cole & Me", für das er Klassiker wie "Nature Boy", "Smile" and "L-O-V-E" mit Orchester aufgenommen hat.
KURIER: Wie haben Sie die Songs ausgewählt, die Sie für "Nat King Cole & Me" aufgenommen haben?
Gregory Porter: Ich habe mich an dem orientiert, was ich mag, was bei mir zuhause viel bedeutet hat, als ich jung war, und mich auch heute noch bewegt. Das sind in der Hauptsache die Songs mit einer starken Botschaft. "Nature Boy" zum Beispiel: Die Zeile am Ende, wo es heißt: "Das Größte, das du je lernen kannst, ist zu lieben und im Gegenzug geliebt zu werden." Meine Mutter sagte das immer zu mir, bevor ich aus dem Haus ging.
Wie hat sich die Bedeutung dieser Zeilen und auch der Texte anderer Cole-Songs geändert, als sie älter wurden?
Für einen Sechsjährigen ist die Idee, das Lieben zu lernen fremd. Da ist das noch ganz einfach. Aber als Erwachsener weiß ich, wie viele Hindernisse es durch die Komplikationen von Kultur, Finanzen, Grenzen und Distanz für die Liebe geben kann. Das hat jetzt eine viel tiefere Bedeutung für mich. Und auch "Pick Yourself Up": Als Schulbub denkst du bei der Botschaft "Steh auf und schüttel den Staub ab" nur dran, wie du vom Baum gefallen bist und den Dreck aus der Kleidung schüttelst. Aber jetzt sehe ich, wie wichtig die Idee, etwas Überkommenes abzuschütteln und neu zu beginnen auch für einen 50-Jährigen ist – weil im Laufe eines Lebens Beziehungen zu Bruch gehen, oder man gewisse Träume und Ziele nicht verwirklicht werden können und man sie aufgeben muss.
"When Love Was King" ist ein Song, den Sie für ihr Album "Liquid Spirit" geschrieben und hier mit Orchesteraufgenommen haben – der einzige Ihrer eigenen Songs auf dem Album. Haben Sie ihn dazugenommen, weil er ähnlich positiv ist und in der Botschaft dazu passt?
Es ist der Song aus meinem eigene Repertoire, der am meisten von Nat King Cole beeinflusst ist. Cole hatte in seinen Songs immer etwas Optimistisches oder Positives, das die Leute am Ende mitnehmen und für den Rest des Lebens mit sich tragen konnten. Genauso wollte ich mit "When Love Was King" den Hörern etwas zu Bedenken mit auf den Weg geben: Denkt an hungernde Kinder, an die Armen, an Obdachlose, an die Ungleichheit zwischen Mann und Frau. Ich kann in diesem Song all diese Dinge – versteckt in Poesie – zu den Leuten sagen.
Aber die Liebe hat ja noch nie regiert, es gab immer irgendwo Krieg. Glauben Sie, dass sich das eines Tages ändern wird?
Vielleicht ist der Song ein Wunsch für die Zukunft. Es ist sicher eine Sehnsucht. Und es gab ja auch schon Zeiten, da hatten wir für einen Moment das Gefühl, dass wir das Ruder rumreißen werden, dass sich zumindest in den USA etwas ändert, wir vielleicht sogar den Rassismus überwinden können. Es stimmt schon . . . dieser Song ist vielleicht Utopie. Aber ich bin ein von Natur aus optimistischer Mensch. Das habe ich sich zum Großteil von meiner Mutter, aber auch von den Songs von Nat King Cole.
Ein weiterer Track auf dem Album, der nicht von Nat King Cole ist, ist "I Wonder Who My Daddy Is" . . .
Den habe ich von seinem Bruder Freddy Cole. Ich habe ihn in mein Musical "Nat King Cole & Me" eingebaut. Das hatte 2004 Premiere. Es basiert zur Hälfte auf meiner Musik, zur Hälfte auf der von Nat King Cole und ich erzähle dabei, wie ich – beeinflusst von der Abwesenheit meines Vaters – diese tiefe Beziehung zu Coles Musik bekam, wie ich mir als Bub vorgestellt habe, Cole wäre mein Vater. Über dem Musical stand ganz groß die Frage: Wer ist mein Vater?
Hat Ihr Vater das Musical je gesehen?
Nein, ich habe es erst nach seinem Tod geschrieben. Ich kannte ihn und hatte gegen Ende seines Lebens mit ihm gesprochen. Aber ich habe von ihm nie zufriedenstellende Worte oder Antworten, nie eine Entschuldigung bekommen. Ich brauchte aber eine Entschuldigung. Also habe ich sie mir in das Musical reingeschrieben. Das war selbst verschriebene, selbst geschriebene, emotionale Medizin für mich. Danach habe ich mich in Bezug auf meinen Vater viel leichter gefühlt. Und es hat mir gezeigt, wo ich als Songwriter stehe, dass ich das auch kann. Davor hatte ich nur Gedichte ohne Musik geschrieben. Das Musical hat mir das Selbstvertrauen gegeben, auch andere Songs zu schreiben.
Wird es in Wien ein Orchester-Konzert mit dem Nat-King-Cole-Repertoire geben?
Daran arbeiten wir. Wien wäre schön, aber vielleicht kommt ja auch etwas in Salzburg zustande. Mal sehen, was sich ergibt.