Kultur

Leonard Cohen: Der Poet der leisen Töne und letzte Weise der Pop-Musik

Seine Kellerstimme klingt so alt wie die Zeit. Abschied lag schon länger in der Luft. Spürbar in den Momenten, in denen Leonard Cohen seinen eigenen Songs hinterherhorchte, als gehörten sie bereits nicht mehr ihm. Zuletzt beim erst vor drei Wochen veröffentlichten neuen Album „You Want It Darker“, einem melancholischen Zwiegespräch mit Gott und sich selbst.

Da sagt der Weltschmerz-Poet mit Grabesstimme, er sei bereit für den Abgang ohne Wiederkehr, für die Reise ins Jenseits. „I’m ready, my Lord.“

Jetzt ist der kanadische Songwriter, Komponist und Poet in seinem Haus in Los Angeles 82-jährig gestorben. Eigentlich wollte er Schriftsteller werden - und scheiterte. Zum Glück, denn nur weil er pleite war, schrieb er Lieder und schenkte der Welt Klassiker wie "Suzanne" und „So Long, Marianne“ und „Bird On The Wire“ ein Herzkratzerl erster Güte. Oder „Tower of Love“ mit dem Sound, der schmeckt wie flüssige Bitterschokolade.

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Der „Ladies’ Man“ und passionierte Emotionalienkrämer etwa mit der Song-Preziose „Dance Me To The End Of Love“ litt lebenslang immer wieder unter starken Depressionen. Und alle Versuche, diese "Verdüsterung der Seele", wie er es nannte, zu bekämpfen, scheiterten. Drogen, Alkohol, Frauen - nichts half. Bis er nach sieben Jahren in Griechenland mit 33 Jahren nach New York zurückkehrt, wo sich gerade die Folk-Szene entwickelt. Mit Lichtgestalten wie Joan Baez und Bob Dylan. Hier fasst er Fuß und beginnt seine Gedichte zu vertonen. 1967 nach dem Newport-Folk-Festival macht ihn sein erstes Album "Songs of Leonard Cohen" mit Liedern wie "Suzanne" und "Stories of the Street" mit einem Schlag berühmt.
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Zwischen Alben mit zum Teil religiös angehauchten Texten wie "Recent Songs" (1979) und dem den Lyrikband "Book of Mercy" (1984) ist es oft jahrelang still um den Sänger, der immer wieder Phasen intensiver Niedergeschlagenheit erlebt. Er erzählt, Alkohol in großen Mengen zu brauchen, um einen gewissen Level an Unbeschwertheit zu erreichen, der es ihm erlaube, auf die Bühne zu gehen. Mitte der 90er-Jahre entschließt er sich, fünf Jahre lang im Zen-Kloster Mount Baldy bei Los Angeles zu leben. 2001 folgt das Comeback mit "Ten New Songs".
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Da stellte sich neben so manchem Zipperlein auch die Weisheit ein, die sein großartiges Alterswerk durchweht. Er tourte noch einige Male um den Globus als begnadeter Rezitator und melancholischer Troubadour. Schließlich hat er einige der schönsten Liebeslieder des 20. Jahrhunderts geschrieben. Seine "golden voice" trug sie mit frischem Firnis durch die Welt. Jedes Konzert ein getarnter Dankgottesdienst. Ein Charmeur breitete seine nackte Seele vor den hungrigen Zuhörern aus. Mit sympathischer Selbstironie. Kein anderer Herr seines Alters konnte mit dieser Grandezza, wie sie nur Veteranen aus alten Schlachten gegeben ist, über Liebe und Sehnsucht singen, ohne peinlich zu sein: Goodnight, my darling, das Bett ist kalt, doch die Arme sind weit. "There’s a man still working for your smile."

Das Reich seiner Musik ist die Dunkelheit, das Rätsel, die Pathetik, die Ironie. Und seine Musik blüht im heiligen Schein des inneren Friedens weiter ...