Kultur/Musik

Dramatisch-schauriger Ausklang in der Karlskirche

Normalerweise erfüllen die Klänge von Mozart die Wiener Karlskirche, zum Ausklang des Popfestes am Sonntagabend wurde das Gotteshaus für ein ungewöhnliches Spektakel in Licht und Nebel getaucht. Theremin-Spielerin Dorit Chrysler entführte das Publikum passend zur Geisterstunde mit ihrem "Horrorsoundtrack" in andere Welten, vorher beeindruckten Over at the Stars und der Kontrabassist Manu Mayr.

Um 21.00 Uhr startete das elektronische Trio Over at the Stars den Abend in der bis auf den letzten Platz gefüllten Karlskirche. Die Kombination aus geometrischen Visuals, die nicht nur auf die Kirchenwände, sondern auch auf drei von der Decke herabhängende weiße Kugeln projiziert wurden, und dem dichten - teils orange beleuchteten - Nebel gaben dem Auftritt schon alleine visuell ein bisschen etwas von Hexensabbat.

Dazu schufen Katharina Hanz, David Punz und Michael Jaksche dichte elektronische Soundteppiche, über die sich die Stimme von Hanz immer wieder eindringlich erhob. Eine Kombination, die das Publikum mit einem Zusatzapplaus nach dem anderen belohnte.

Ganz alleine und ohne jegliches Brimborium wagte sich danach Kontrabassist Manu Mayr auf die Bühne. Für die Specialeffects sorgte der Musiker dann tatsächlich auch selbst: Er klopfte, zupfte und strich rund eine halbe Stunde ohne einmal abzusetzen und bewies so etwa mit Trommeleinlagen auf dem Korpus des Kontrabasses die Bandbreite und Vielfalt seines Instruments. Eine Darbietung, die es weder online noch auf Platte, sondern nur live gebe, wie Kuratorin Violetta Parisini betonte. Die Zuhörer würdigten die Performance ebenfalls mit viel Beifall.

Geisterstunde

Kurz vor Beginn der Geisterstunde betrat dann der wohl ungewöhnlichste Act des Tages die Kirche: Dorit Chrysler und ihr Theremin. "Ich wollte diesem Ort, wo normalerweise Messen stattfinden, etwas Anständiges, Dunkles entgegensetzen", erklärte Chrysler im APA-Interview. Das Theremin erzeugt seinen Klang durch ein elektromagnetisches Feld, auf das der Spieler mit seinen Hand- und Körperbewegungen einwirken kann.

"Das Theremin hat mich gefunden", meinte die inzwischen in New York lebende Künstlerin, die auch eine klassische Gesangsausbildung hat und zuvor unter anderem in einer Rockband gesungen und Gitarre gespielt hat. "Es ist perfekt, weil es noch keine fest etablierten Regeln gibt, wie es klingen soll", sagte Chrysler. So habe sie viel schneller zu ihrem eigenen Stil und ihrer eigenen Sprache gefunden. "Es war befreiend."

Trotzdem sieht sie in dem Instrument - auch abseits von Klischee-Sci-Fi-Klängen - Populärkapazität. "Es ist wichtig, dass die Leute verstehen, was das Instrument kann", meinte Chrysler. Mit dem Hall und dem emotionalen Aspekt sei die Karlskirche eine ganz spezielle und nicht ganz einfache Location, meinte Chrysler. "Das Theremin ist ein sehr dramatisches Instrument. Es hat aber auch einen ganz eigenen Sound, der in keine Kategorie passt, deshalb kann ich auf vielen Hochzeiten tanzen."

Für die Karlskirche hatte sie einen "Horrorsoundtrack, der auf die Priesterlocation reagiert", geplant - und ein bisschen etwas von Horrorfilm hatte der Auftritt in dramatischen Farben und viel Nebel auch tatsächlich. Auch wenn die Künstlerin vor allem am Anfang mit technischen Schwierigkeiten mit ihrem Instrument kämpfte: "Ich wusste, wir würden in der Kirche Probleme kriegen", entschuldigte sie sich.

Schon alleine das Spiel auf dem elektronischen Instrument, das Chrysler unter anderem mit vibrierenden Handflächen, anhebenden Gesten und teilweise Schlägen in die Luft zum Klingen brachte, bot ein faszinierendes Bild. Schließlich klappte dann auch noch die Feinabstimmung zwischen Gesang, düsteren elektronischen Klängen und den fragil-spacigen Tönen des Theremin. Chrysler, die mit ihrem mitternächtlichen Auftritt zugleich das viertägige Popfest beendete, erntete von den inzwischen durchaus lichter besetzten Reihen begeisterten Applaus.

Von Hip-Hop-Klängen über lieblichen Pop bis hin zum elektronischen Finale in der Karlskirche: Die Bandbreite des Wiener Popfestes war heuer so groß wie nie zuvor. 60.000 Menschen nutzten von Donnerstag bis Sonntag die Gelegenheit, 60 Live-Acts zu besuchen. Damit konnte man ebenso viele Besucher verzeichnen wie im vergangenen Jahr, erklärte Festivalleiter Christoph Möderndorfer im APA-Gespräch.

Der stärkste Tag war mit 20.000 Gästen in diesem Jahr der Freitag, wo vor allem Effi mit der Kombination aus Elektronik, Jazz und Swing, Reggae und Drum and Bass begeisterte. Auch am Donnerstag pilgerten bereits 15.000 Menschen auf den Karlsplatz, der Samstag war mit 18.000 Musikliebhabern ebenfalls gut besucht. Besonders das Quartett Molden Resetarits Soyka Wirth am Samstag erwies sich als Publikumsmagnet.

Zusammen mit dem Abschlussevent in der Karlskirche und den anderen Locations wie dem Museumsquartier, dem Wien Museum und dem brut kamen 60.000 Menschen - alle in "guter Stimmung", wie Möderndorfer berichtete. Er freute sich auch über das gute Wetter und einige "exklusive Geschichten", etwa über den gemeinsamen Auftritt von Rapper Nazar und Poetry-Slam-Künstlerin Yasmo zum Auftakt und den Gig von Holy Oxygen - "eine Weltpremiere".

Die Zusammenarbeit mit allen Locations hätte gut geklappt - am Samstagnachmittag habe man sogar eine Hochzeit in der Karlskirche gefeiert. Um nicht zu stören, standen für rund zwei Stunden alle Aufbau- und Umbauarbeiten still. Auch die Kuratoren Violetta Parisini und Wolfgang Schlögl waren sichtlich zufrieden: "Ich sehe viele müde, aber auch glückliche Gesichter", meinte Schlögl beim Abschlussabend in der Karlskirche.