Kultur/Musik

Versöhnen statt verletzen

Es ging um eine Eisenbahn, die dahinrast – von Geistern gelenkt. Chlöe Howl war sieben Jahre, als sie darüber eine Horrorstory schrieb. "Die hat mir selbst so viel Angst eingejagt, dass ich nicht schlafen konnte", erzählt sie im KURIER-Interview. "Ich musste sie im Schlafzimmer der Eltern verstecken, weil ich nicht mit ihr im selben Raum sein wollte."

Trotzdem bezeichnet die 19-jährige Newcomerin, die Anfang des Jahres für den "Critic’s Choice"-Preis der Brit-Awards nominiert war, das als den Start in ihre Songwriter-Karriere. Denn, sagt sie, als sie 13 war, habe sie entdeckt, dass die Liebe zum Story-Schreiben nicht unabhängig von der Leidenschaft für das Singen sein muss: "Ich lernte Keyboards. Das war mir mit dem Üben schnell langweilig, also habe ich Melodien zu meinen Geschichten erfunden."

Enttäuschung

Punkt 15 Uhr eröffnet Chlöe Howl mit ihrem fröhlichen Elektro-Pop-Sound heute Mittwoch das heurige FM4 Frequency Festival und stellt dabei das im Oktober erscheinende Debüt-Album vor.

Über Geisterzüge schreibt die Engländerin dabei nicht mehr. Heute sind es die Enttäuschungen in der Liebe oder die Stolpersteine beim Erwachsenwerden, die sie inspirieren. So ist ihr Hit "Rumour" eine Absage an die Zickereien in ihrer Clique.

"Der Song entstand in einer Zeit, in der wir alle damit zu tun hatten, herauszufinden wer wir sind, wen und was wir mögen. Dass so viele von uns dabei hinterrücks getuschelt, andere ausgerichtet, beurteilt und falsche Gerüchte in die Welt gesetzt haben, hat alles nur noch schwieriger gemacht. Deshalb sage ich versöhnend: Wir sind im selben Boot."

In "No Strings" gibt sie einem Boyfriend, der sich nicht binden will, eine Abfuhr, so dass im Video dazu vor dem "expliziten Inhalt" gewarnt werden muss. Der Song ist niemand bestimmtem gewidmet. "Aber es gibt einen Typen, der gerne hätte, dass er von ihm handelt. Der hat sofort, als ich den Song online stellte, eine SMS geschrieben. Aber ich: Du bist nicht gemeint. Du bist ein Dreckskerl und es nicht Wert, dass ich einen Song auf dich verschwende."

Verletzt

Obwohl sich Chlöe Howl in ihren Texten mit Schimpfwörtern nicht zurückhält, ein bisschen nimmt sie schon auf das jugendliche Publikum Rücksicht. "Ich habe einmal nach einer Trennung ein Lied geschrieben, in dem ich ihm vorhalte, Pickel zu haben und mein Nervenzusammenbruch zu sein – richtig böse und verletzend, weil ich selbst so verletzt war. Aber den auf das Album zu nehmen wäre unfair und ein falsches Signal."

Howl hat eine elegantere Methode gefunden, dem Ex die Meinung zu sagen, hat ihm den Song "Disappointed" gewidmet. Der, sagt sie, soll ihn so tief treffen, wie es sie als Kind getroffen hat, wenn die Eltern ihre jugendlichen Fehltritte mit "Ich bin nicht wütend – nur schwer enttäuscht" ahndeten.

Info: Das FM4 Frequency Festival findet heuer von 13. bis 16. August wie immer im Greenpark beim VAZ in St. Pölten statt. Restkarten gibt es an der Abendkasse, alle Infos zum Line-up unter www.frequency.at

Es ist ein Kreuz auf Festivals, dass man sich zwischen mindestens zwei Bühnen entscheiden muss und niemals alle Bands sehen kann. Sie spielen fast parallel und auch der Weg von einer Bühne zur anderen ist meistens nicht der Kürzeste. Schlussendlich gibt es nur eine Möglichkeit: Man muss sich im Vorhinein entscheiden, wen man sehen will.

Auch in diesem Jahr überlässt das Frequency in St. Pölten seinen Besuchern die Qual der Wahl.

Wir haben uns in der Redaktion umgehört und demokratisch wie wir sind, unsere Entscheidungen getroffen.