Musical: "Elisabeth" kehrt nach Wien zurück
Wien feiert 20 Jahre "Elisabeth" (Pre miere: 5. 9., Raimund Theater). Musical-Komponist Sylvester Levay erzählt, wie alles begann, von Albträumen, und warum er bei "My Fair Lady" ausflippt.
KURIER: Wissen Sie, wo überall auf der Welt Musik von Ihnen heute Abend gespielt wird?
Sylvester Levay: Nein. Aber meine große Freude ist, dass im Februar "Elisabeth" auch in Seoul erstmals sehr schön inszeniert und ein Riesenerfolg wurde. "Mozart!" läuft auch schon seit drei Jahren in Korea – zurzeit in einem der größten Theaterhäuser mit mehr als 3000 Plätzen.
Warum ist Musical aus Europa ausgerechnet in Fernost so erfolgreich?
Die Asiaten, besonders die Japaner, aber auch die Koreaner, sind sehr an europäischer Geschichte und auch am österreichischen Kaiserhaus interessiert.
Woran arbeiten Sie gerade?
Außer dass ich die Proben von "Elisabeth" besuche, mache ich gerade die letzten Striche an der neuen Partitur für "Rebecca" am Broadway. Denn in New York haben wir ein kleineres Orchester. Und da orchestriere das ein bisschen um, damit die Musik ihren Charakter beibehält.
Warum ein kleineres Orchester? Aus Kostengründen?
Ja. Die Musiker am Broadway verdienen teilweise mehr als ein Hauptdarsteller. Die Gewerkschaften sind sehr mächtig. Ich habe bei "Rebecca" trotzdem die klassische Besetzung beibehalten: Holzbläser, zwei Hörner, Trompete, Posaune und zwei Streicher-Ensembles. Das verstärke ich mit synthetischen Instrumenten. Und bin guter Dinge, dass das funktioniert. Ich habe es teilweise weniger poppig gemacht und eher modern-klassisch. Aber vor New York, das gebe ich zu, hab’ ich wirklich Schiss.
Wie entstand "Elisabeth"?
Das war eine spannende Geschichte. Michael Kunze sprach mich auf "Elisabeth" an, als ich in Hollywood gerade Aufträge für Filmmusik angenommen hatte. Ich musste also zunächst absagen. Zudem hatte ich vorher noch nie Musical gemacht.
Und es ist Ihrer Frau zu verdanken, dass Sie "Elisabeth" doch komponiert haben?
Ja, meine Frau sagte immer: "Elisabeth" musst du unbedingt machen. 1988 fing ich an. Ich wusste, dass ich damit Hollywood aufgeben und etwas ganz Tolles machen musste.
Hat Ihnen die Filmmusik-Erfahrung dabei geholfen?
Ja. Was ich in Hollywood gelernt habe, konnte ich teilweise ins Musical übertragen. Nicht einfach eine Kette von Liedern, sondern musikalische Themen zu schreiben, die sich durchziehen. Ich habe viel beim Film darüber gelernt, emotionale, themenbezogene Musik zu schreiben.
Erstaunlich, dass schon der Musical-Erstling so ein Mega-Erfolg wurde – mit fast neun Millionen Besuchern weltweit in 20 Jahren?
Ja. Das haben wir nie zu träumen gewagt. Michael und ich scherzten, dass wir bei der Premiere in Wien ein Taxi warten lassen, damit wir in der Pause, falls notwendig, abhauen können. Wir waren sehr aufgeregt, aber: kein Vergleich zur Nervosität später bei "Mozart!", "Rebecca" oder "Marie Antoinette". Da war der Erwartungsdruck gewaltig.
Aber "Elisabeth" hatte vernichtende Kritiken?
Ja. Als die ersten negativen Kritiken kamen, war ich noch zu sehr voll mit Adrenalin vom Erfolg und den 30 Minuten Applaus bei der Premiere. Aber am nächsten Morgen ... es tat wirklich weh. An schlechte Kritiken gewöhnt man sich nie.
Gibt’s ein neues Projekt, gemeinsam mit Kunze?
Ja, wir haben unseren Produzenten sogar schon Ge sangsaufnahmen präsentiert. Es ist wieder eine historische Geschichte aus Europa. Aber mehr darf ich noch nicht sagen. Die Produzenten, nach "Marie Antoinette" wieder unsere Partner aus Tokio, werden das bekannt geben.
"Elisabeth" in Wien. Was muss man sich unter "Jubiläumsfassung" vorstellen?
Die kommt aus dem Kern der Premierenfassung. Mit Liedern, die in Wien auch schon in der Version von 2004 enthalten waren. Aber erstmals dem Lied "Kein Kommen ohne Geh’n" auf Deutsch vom Tod im 1. Akt, das bisher nur in Japan gezeigt wurde. Neu sind die Kostüme von Yan Tax und die Besetzung: Mark Seibert als Tod habe ich mir schon seit Jahren gewünscht. Und die Bühne wird von Hans Schavernoch modifiziert und aufgefrischt.
Harry Kupfer ...
... geht jetzt bei der Inszenierung überall bei Elisabeth, beim Franz Joseph, beim Tod, bei Sophie und beim Lucheni noch mehr ins Detail. Es kriegt so alles eine andere Dimension. Ich denke, dass die sogenannte Jubiläumsfassung mit noch etwas mehr Leben und dramatischem Tiefgang versehen sein wird.
Mit "Elisabeth" hat sich im Prinzip das europäische Musical etabliert. Und mit "Rebecca" geht das europäische Musical jetzt nach Amerika.
Da gibt es bereits eine Parallele. Kunze und ich hatten 1975 mit "Fly Robin Fly" einen Welthit. Wir bekamen auch einen Grammy dafür – im Grunde amerikanische R&B-Musik. Da schrieb die Süddeutsche Zeitung: "Michael Kunze hat den Amerikanern Coca-Cola verkauft."
Träumen Sie manchmal von Ihren Musicals?
Ja. Von "Elisabeth" meist Albträume. Ich komme ins Theater an der Wien, und die Szene läuft falsch. Die Leute stehen auf und gehen raus. Oder ich muss auf der Bühne bei "Mozart!" singen, kenne den Text nicht und kann doch überhaupt nicht singen. Das ist furchtbar.
Verzeihen Sie die indiskrete Frage: Aber was machen Sie mit den Tantiemen?
Ich habe eine große Familie. Ein Hobby meiner Frau ist die Pferdezucht. Wir haben eine große Wohnung im Schloss Schönbrunn. Ich habe ein Tonstudio und zwei Bösendorfer Konzertflügel. Und Memorabilien wie Kleider, Briefe und Reitutensilien der Kaiserin Sisi aus unserem Besitz sind meist unterwegs bei Ausstellungen.
Welche sind Ihre liebsten Musicals?
"Les Misérables", "Westside Story" und – das erraten Sie nie – "My Fair Lady". Ich flippe aus dabei. Das ist, Schnulze ist nicht das richtig Wort, aber sehr angenehme leichte Musik. Genial! Es gibt darin Volkslieder, auch Blasmusik, die genial ist, wenn sie richtig gemacht wird.
Musical: In Wien und am Broadway
"Elisabeth": Die Produktion der Vereinigten Bühnen Wien von Michael Kunze und Sylvester Levay kommt in der "Jubiläumsfassung" mit Annemieke Van Dam und Mark Seibert am 5. 9. ins Raimund Theater.
"Rebecca": Die Broadway- Premiere ist im New Yorker Broadhurst Theatre am 18. 11.
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