Kultur

Modernes Märchen in der Volksoper

Neue Wege geht das Wiener Staatsballett mit „Blaubarts Geheimnis“ von Stephan Thoss in der Volksoper. Der Compagnie ist ein wichtiger Schritt in Richtung zeitgenössischen Tanz gelungen. Thoss, dessen markante choreografische Handschrift auf klassischem Ballett basiert, ergänzt mit Vokabular aus Ausdruckstanz und Tanztheater, schuf „Blaubarts Geheimnis“ 2011 für das von ihm geleitete Ballett des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.

In „Blaubarts Geheimnis“ rollt er das bekannte, blutrünstige Märchen von Blaubart, der seine Ehefrauen ermordet, am Ende aber durch die Familie der jüngsten Braut selbst zum Opfer wird, neu auf. Im ersten Teil „Präludien“ zu Kompositionen von Henryk Górecki stellt Thoss die Frage nach Liebesbeziehungen in der Gegenwart.

Bewegungsfluss

Einem permanenten Bewegungsfluss, der die Suche nach neuen Partnerinnen und Partnern, schnellen sexuellen Begegnungen und Angst vor Einsamkeit vermittelt, stellt er ernsthafte, emotionale Pas de deux gegenüber, auch diese in Verbindung mit einem ständigen Ringen um die Bewahrung des Vertrauens, manchmal auch als akrobatische Machtkämpfe. Vertrauen können wird im zweiten Teil zu Musik von Philip Glass zum zentralen Thema der sich nun voll entfaltenden, spannenden und musikalischen Choreografie, für die Thoss auch die stimmige Ausstattung schuf.

Blaubart, großartig getanzt von einem entfesselten Kirill Kourlaev, hat in dieser Version keine Leichen versteckt, dafür aber vielerlei Erfahrungen aus früheren Beziehungen verdrängt, kulminierend in der Präsenz seiner dominanten Mutter (Dagmar Kronberger).

Thoss wertet Judith (Alice Firenze) zu einer starken Frau auf, die Blaubart bei der Verarbeitung seiner Vergangenheit begleitet und unterstützt. Ausgezeichnet auch Andrey Kaydanovskiy als Blaubarts Alter Ego.

KURIER-Wertung: **** von *****