Kultur

Kreischen und auf den Hit warten

Totempfähle und indianische Traumfänger schmücken die Bühne. Es ist ein schöne Szenerie, die sich Clemens Rehbein und Philipp Dausch für das Konzert im Wiener Gasometer ausgesucht haben. Mit den ersten Tönen wird auch klar, warum: Es beginnt mit Stammesgesängen, in die sich nach und nach Rehbeins bluesige Gitarre und Tribal-Percussion mischen. Und das spitze Gekreische der Girls, die sich vorne am Bühnenrand zusammendrängen.

Nur 2000 sind gekommen, weshalb weiter hinten mehr Luft ist. Dort schwenken Studenten ihr Bier und erörtern die Faschingskostüme ihrer Begleiterinnen. Vorne wird jeder Song bejubelt, hinten auf den einen, auf "Stolen Dance", gewartet.

Infektiös war dieser Hit, mit dem synkopierten Rhythmus, der schlichten Interpretation mit einer tänzelnden Gitarre und Rehbeins rauer Charakter-Stimme. Es war ein prägnanter Sound, dem die Deutschen auf ihrem Debüt-Album "Sadnecessary" treu geblieben sind. Man könnte auch sagen: Nicht viel hinzugefügt haben.

Unroutiniert

"Geht es euch gut?", fragt Rehbein die Wiener. Irgendwie linkisch und schüchtern wirkt er dabei. Aber es ist genau diese charmant unroutinierte Art, die anfangs im Gasometer den mangelnden Variantenreichtum in der Musik wett macht. Verstärkt von einem Gitarristen, spielen sich Milky Chance durch das Debüt: "Flashed Junk Mind" hat karibisches Flair, das verträumte "Feathery" einen tickenden Keyboard-Beat. Hier gibt es ein Gitarren-Solo von Rehbein, dort eine Mundharmonika-Intermezzo oder Synthesizer-Akzente.

Auf die Dauer sind die Songs aber auch live dem Hit "Stolen Dance", mit dem die beiden auch in England und den USA punkten konnten, zu ähnlich. Während die Mädels vorne jetzt Rehbein und seine "Ich komm grad aus dem Bett"-Frisur anschmachten, wird hinten ein bisschen getanzt, ein bisschen getratscht, ein bisschen Handy-gesurft. Bis Milky Chance bei "Stolen Dance" ankommen. Damit haben sie dann doch die volle Aufmerksamkeit im ganzen Auditorium, einen verlässlichen Massenchor und so viel Euphorie, dass man sie zur Zugabe zurückholt.

KURIER-WERTUNG: