Meisterin des Morbiden: Autorin Evelyn Grill 82-jährig gestorben
Die österreichische Autorin Evelyn Grill ist am Dienstag (15. Oktober) im Alter von 82 Jahren in Bad Goisern gestorben. Das gab Alexandra Millner vom Germanistik-Institut der Universität Wien, die 2023 ein Sonderheft der Literaturzeitschrift "Die Rampe" über Grill herausgegeben hatte, am Mittwoch gegenüber der APA bekannt. 1994 erlangte Grill mit der Erzählung "Wilma" Bekanntheit, ihr Roman "Vanitas oder Hofstätters Begierden" wurde 2005 für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Evelyn Grill wurde am 15. Jänner 1942 als Evelyn Holzapfel in Garsten (Oberösterreich) geboren. Sie besuchte die Handelsakademie und studierte ab 1983 Rechtswissenschaften in Linz. "Ich bin in keinem intellektuellen Haushalt aufgewachsen, mein Vater starb, als ich zehn Jahre alt war, und meine Mutter hatte nie die Idee, dass man mich auf eine höhere Schule schicken könnte. Das war ihr ganz fremd. Deshalb musste ich mich mühsam auf dem zweiten Bildungsweg entwickeln und konnte mich erst mit 37 dem Schreiben widmen", erinnerte sich die 1986 mit ihrem zweiten Mann nach Deutschland übersiedelte Autorin einmal in einem Interview mit den "Oberösterreichischen Nachrichten".
Ab 1980 veröffentlichte Grill, die 1986 und 1995 auch am Wettlesen um den Bachmann-Preis teilnahm, in Anthologien, Literaturzeitschriften und im Rundfunk. 1994 erregte sie mit der Erzählung "Wilma" Aufsehen. Im Zentrum der 2007 in überarbeiteter Form neu aufgelegten Geschichte steht ein geistig behindertes, fettleibiges Mädchen, das von einer Pflegemutter ängstlich behütet wird. Nach einigen Veröffentlichungen bei Suhrkamp wechselte sie zum Residenz Verlag. Dort erschien 2005 ihr Roman "Vanitas oder Hofstätters Begierden", in dem sie sich mit suggestiver, bildhafter Sprache als Meisterin des Morbiden erwies und damit auch für ihre späteren Bücher die Richtung vorgab. Für Millner waren es "sozialkritischen, feministischen, kunstsinnigen, immer aber ironisch bis sarkastischen Prosatexte", die Grill auszeichneten.
In "Der Sammler" entführte sie ihre Leser in ein zugemülltes Reich, in dem sich Ratten und Kakerlaken tummelten, mit "Das römische Licht" und "Das Antwerpener Testament" entwarf sie bedrückende Familiendramen. Ihr Kurz-Roman "Der Sohn des Knochenzählers" spielte 2013 mit Elementen der Gothic Novel, 2015 folgte der Erzählband "Fünf Witwen", 2016 der Roman "Immer denk ich deinen Namen". Ihre Novelle "Der Begabte" (2019) verfasste Grill zur Gänze mit Blick auf die Innenwelt eines jungen U-Häftlings, der es nur noch beim Hofgang, bei kurzen Kontakten mit Justizwachebeamten und wenigen Besuchen seines Pflichtverteidigers mit anderen Menschen zu tun bekommt, 2022 folgte der Roman "Der Nachlass".
2017 erhielt Evelyn Grill, die lange in Freiburg in Breisgau gelebt hat und dort ihrem Jus-Studium Studien der Kunstgeschichte sowie Spanisch folgen ließ, 2018 aber nach Linz übersiedelte, den oberösterreichischen Landeskulturpreis. Gestorben ist sie nun im Seniorenheim Bad Goisern.