Kultur

Medium für orientalische Geister

Er mischte sich nicht ein. Registrierte mit distanziertem, nahezu kalt wirkendem Blick und fragte sich am Ende seiner Reise, bevor er in Marokko ins Flugzeug stieg, bloß das eine: ob denn so ein stilles Gebet in der Wüste und die Schläfrigkeit eines Haschischrauchers nicht viel mehr wert seien als die Moderne mit allen ihren Verrücktheiten.
Antwort gab er keine darauf.
Zum ersten Mal liegt „Orient-Express“ in deutscher Übersetzung vor.
Ein Text – philosophischer Reisebericht? Abenteuergeschichte? Beides wohl! – des amerikanischen Schriftstellers John Dos Passos.
Seine Romane wie „Three Soldiers“, „Manhattan Transfer“ und die drei Bände „U.S.A.“ haben ihren Platz neben den Büchern Hemingways und Faulkners.

Grenzenlos

Dos Passos war 25 und ein Sozialrevolutionär, als er 1921 in den Orient reiste – wobei sich der Orient, wie wir ihn heute sehen, erst langsam bildete: Von Teheran bis Damaskus gab es damals keine Grenzkontrolle.

„Nur mit dem Namen Allahs als Gepäck konnte man von der Großen Chinesischen Mauer bis an den Niger reisen und ziemlich sicher sein, dass man Essen bekam und oft auch Geld, solange man nur bereit war, sich fünf Mal am Tag in den Staub zu werfen und das Ich des glamourösen Westen aufzugeben.“
Aber: „Henry Fords Evangelium von Arbeitsteilung und Standardisierung wird Herzen gewinnen ...“
Meist ließ er andere sprechen, kommentarlos, er sah sich nur als Medium fürs Volk – und jetzt, 90 Jahre später, ist er es für die Geister.

KURIER-Wertung: **** von *****