"MAD"-Macher und Schmidt-Kompagnon: Herbert Feuerstein ist tot
Herbert Feuerstein ist tot. Der deutsche Satiriker und Journalist mit österreichischen Wurzeln starb im Alter von 83 Jahren in Erftstadt bei Köln, wie sein Haussender WDR am Mittwoch mitteilte.
Zwanzig Jahre lang war Feuerstein Chefredakteur der deutschen Ausgabe des Satiremagazins MAD, das er wesentlich prägte. Große Bekanntheit erlangte er aber durch die Satire- und Comedy-Show "Schmidteinander", die von ihm und Harald Schmidt moderiert wurde. Das Sendungskonzept stammte von Feuerstein, wobei dieses deutliche Parallelen zu US-amerikanischen Late-Night-Shows aufwies. So gab es zu Beginn jeder Show ein kurzes Stand-up von Harald Schmidt und Interviews mit Prominenten.
Gegensätzliches Duo
Die Gegensätzlichkeit des "Schmidteinander"-Duos war wohl das wesentliche Erfolgsrezept der Sendung. Schmidt war 29 Zentimeter größer als Feuerstein. Und auch von der Persönlichkeit her konnten sie kaum unterschiedlicher sein: Hier der für seine Schlagfertigkeit und Bosheit gleichermaßen bekannte Zyniker Schmidt, dort der verschmitzte Feuerstein, der sich stets in Bescheidenheit übte und versicheret, er sei selbst kein Fan von sich selbst: "Ich kann mich nicht sonderlich leiden."
Prügelknabe bekam mehr Fanpost
Dementsprechend war es auch eher Schmidt, der in der anarchischen WDR-Serie von 1990 bis 1994 die Pointen bekam und die Lacher einsammelte. Feuerstein war der ewige Sidekick, der immer eins draufbekam. Hat er mit dieser Aufteilung wirklich nie Probleme gehabt? "Ich glaube, er hat es überwiegend genossen", meint Schmidt.
Das könnte sogar stimmen, denn das Fanpost-Aufkommen bewies, dass sich die Zuschauer mit dem Underdog Feuerstein identifizierten. Außerdem, so berichtete er selbst einmal in einem dpa-Interview, profitierte er von Schmidts Trägheit: "Schmidt wurde relativ schnell faul und ließ mich alles schreiben, dadurch konnte ich die Inhalte an mich ziehen."
Feuerstein, geboren am 15. Juni 1937 im österreichischen Zell am See, hatte nach eigener Aussage eine alles andere als spaßige Jugend. Sein Vater war - und blieb - ein strammer Nazi, die Mutter wünschte sich immer bloß, dass er doch mal normal werden möge. Um dieser engen Welt zu entfliehen, begann er ein Musikstudium, das 1959 wegen Beleidigung des Hochschulpräsidenten mit seinem Rauswurf endete.
"Lechz", "Hechel", "Ächz" und "Würg"
Auch wenn meistens auf "Schmidteinander" angesprochen wurde, Feuerstein hat noch viele andere Sachen gemacht. Der Liebe wegen verschlug es den Österreicher mit abgebrochenem Musikstudium einst nach New York, wo er als Korrespondent arbeitete. Zurück in der Alten Welt, wurde er 1973 Chefredakteur der deutschen Ausgabe der Satire-Zeitschrift MAD. Aus dem zunächst bloß mit Inhalten der US-Ausgabe zusammengestoppelten Magazin machte er ein eigenständiges Magazin. Er konnte so die Auflage von 10.000 auf 400.000 steigern. MAD prägte das Humorverständnis vieler - vor allem männlichen - Jugendlichen. Feuerstein galt auch als Erfinder wegweisender Comic-Vokabeln wie "Lechz", "Hechel", "Ächz" und "Würg".
Zu seiner goldenen Zeit beim "vernünftigsten Magazin der Welt" sagte er einmal: "Ich habe damals mehr, besser und intensiver gearbeitet als heute mit der ganzen Fernsehscheiße.“ Was er in jener Zeit gelernt habe, sei, "dass es überhaupt keinen Sinn hat, sich zu bemühen, etwas besonders gut zu machen. Man muss das machen, was man selbst für gut hält. Wenn man Glück hat, gibt’s dafür ein Publikum, das das akzeptiert. Wenn man Pech hat, ist man weg vom Fenster."
So wirkte Feuerstein lange still im Verborgenen. Nebenbei begann er fürs Fernsehen zu schreiben und bekam 1986 seine erste WDR-Show "Wild am Sonntag", die allerdings noch kein Erfolg war. Danach saß er im Rateteam der von Harald Schmidt moderierten Spielshow "Pssst...", und dann kam der große Durchbruch mit "Schmidteinander". 1994 erhielt Feuerstein einen Bambi für seine "anarchistische Originalität" und den "hemmungslosen Mut zum Chaos". Kurz danach wurde die Sendung eingestellt - Schmidt hatte laut Feuerstein die Lust daran verloren. Zudem konnte er dem Lockruf des Sat.1-Geldes nicht länger widerstehen.
"Was bin ich?"
Dem nunmehr prominenten Feuerstein boten sich viele Möglichkeiten zum Weitermachen, und er nutzte sie weidlich. Er trat in Operetten und Theaterstücken auf, wurde Ratefuchs in der Wiederauflage von "Was bin ich?", war in der "Lindenstraße" als Kidnapper von Mutter Beimer zu sehen, dann als Reporter in der ARD-Reihe "Feuersteins Reisen". Außerdem schrieb er Bücher.
Atheist
Feuersteins eigene große Reise ging nun mit 83 Jahren zu Ende. Dabei hatte ihm Harald Schmidt zum 80. Geburtstag noch "Ewiges Leben" gewünscht. Das sagte der praktizierende Katholik, wohl wissend, dass Feuerstein "total gläubiger Atheist" ist. Schmidts Begründung: "Strafe muss sein."
Feuerstein selbst gab zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2017 keine Interviews. Er hatte sich weitgehend ins Privatleben zurückgezogen. Dafür wollte aber sein langjähriger Sketchpartner Schmidt etwas sagen. Was falle ihm als erstes ein, wenn er an Feuerstein denkt? "Frauen." Immerhin war er da schon in dritter Ehe verheiratet, mit einer 35 Jahre jüngeren Frau.
Feuerstein selbst hatte damals übrigens schon bestimmt, was einmal auf seinem Grabstein stehen soll: "Er konnte ständige Nähe nicht ertragen."
Der WDR ändert in Gedenken an Herbert Feuerstein sein Programm:
Heute, Mittwoch, 7.10.2020, 22.15 Uhr – 23.15 Uhr:
"Herr Feuerstein schreibt seinen Nachruf. Und lebt noch 2091 Tage", ein Film von Klaus Michael Heinz
WDR5, Mittwoch, 7.10.2020, 20.04 – 22.00 Uhr,
"Herbert Feuersteins Nachruf auf sich selbst", eine Sendung von Michael Lohse