ORF2-Chefredakteur Schrom : "Das ist ORF-Folklore"
Matthias Schrom ist seit Juni Chefredakteur von ORF2 und verantwortet sämtliche „Zeit im Bild“-Ausgaben und andere Infoformate. Im Interview spricht er über seine Pläne für die neue Sonntags-„ZiB2“ und die „Folklore“ parteipolitischer Zuschreibungen im ORF (seine Bestellung war ein kolportierter Wunsch der FPÖ.)
Sie haben mit dem ehemaligen ATV-Moderator Martin Thür einen prominenten Neuzugang ins Haus geholt. Er wird die Sonntags-„ ZiB2“ moderieren. Wie wird die Sendung aussehen?
Es soll eine „ZiB2“ sein wie man sie kennt. Das heißt: Wesentlicher Bestandteil ist das Interview, Aktualität. Das Einzige, was passieren muss, ist, dass wir den Sonntagabend quasi als gesamte Infofläche verstehen, das heißt, die Verzahnung mit „Im Zentrum“ muss gewährleistet sein. Die Richtzeit ist „Zehn vor Zehn“. 20 Minuten soll es gehen, um dann direkt in die Diskussion von „Im Zentrum“ hineinzukommen.
Wann startet die neue „ZiB2“? Am 13. Jänner – nach den Weihnachtsferien.
Was ändert sich bei der „Zeit im Bild“? Sie suchen geradeneue Moderatoren, Rainer Hazivar geht etwa zu Ö1 zurück.
Eine Arbeitsgruppe überlegt, wie man die Bildsprache moderner macht: Wie kommen die Schaltungen der Korrespondenten daher, wie werden Analysen in der Sendung eingebaut... Dann überlegen wir uns auch, welche Möglichkeiten es noch gibt, Geschichten zu erzählen. Die Moderationsentscheidungen passieren Anfang November und im nächsten Jahr schauen wir uns an, wie wir die „Zeit im Bild“ sanft weiterentwickeln können.
Kolportierter Kandidat für die Hauptnachrichten ist Stefan Gehrer. Unter schwarz-blau machte der damalige Ministerinnensohn den Job auch schon, was oft kritisiert wurde Danach wurde er zu den früheren “ZiB“-Ausgaben verräumt. Er gilt als ÖVP-nah. Ist ein Comeback nicht sehr retro?
Diese Zuordnungen sind echt Folklore, die es im ORF seit Jahrzehnten gibt. Ich kann nur sagen: Stefan ist ein profilierter Innenpolitikjournalist – und war das schon bevor seine Mutter (Elisabeth Gehrer, Anm.) Ministerin war. Er ist seit Jahrzehnten Moderator, der gute Kompetenzwerte hat. Jeder hat eine Lebensgeschichte. Er ist ein Kandidat, entschieden ist es aber noch nicht.
Wie kam es dazu, dass sie die Zuschreibung ereilte, Sie seien FPÖ-Wunsch?
Es kam wohl dazu, dass ich seit Jahren Innenpolitikjournalist war und die letzten fünf Wahlen bei der FPÖ berichtet habe. Meine Annäherung an diese Berichterstattung war: Wir bilden die Realität so realitätsnah wie möglich ab. Und am Ende muss sich der Zuschauer selbst entscheiden, ob er das gut findet. Ich finde, das muss auch die Annäherung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk generell sein. Ich habe übrigens auch nie Beschwerden darüber bekommen, dass ich SPÖ oder die Grünen unkorrekt behandelt hätte. Ich halte das wie gesagt in einem sehr hohen Ausmaß für ORF-Folklore.
Spüren Sie den Druck der Politik im Tagesgeschäft?
Was PR-Firmen machen, macht auch die Politik: Sie wollen ihre Geschichten verkaufen. Seit ich da sitze, ist es kein einziges Mal je passiert, dass das mit irgendeiner Drohung junktimiert war. Dass man im Nachhinein etwas gut oder schlecht findet, steht auch jedem Zuschauer zu. Das ist Reklamation, aber keine Intervention.
Viele Journalisten empfinden eine Beschwerde eines Pressesprechers bereits als Intervention. Wo ziehen Sie die Grenze?
Für mich ist es eine Intervention, wenn etwas mit einer Drohung verknüpft ist. Und das gibt es nicht. Hier geht es nicht darum, Regierungsfunk oder Oppositionsfunk zu machen, sondern ausgewogen zu berichten. Es wäre technisch auch gar nicht möglich, dass man mir sagt: „Ihr berichtet das oder das“ – und ich gebe das weiter wie beim Bundesheer. Das ist eine Überschätzung der Rolle des Chefredakteurs. Alle journalistischen Entscheidungen, die wir treffen, müssen ja argumentierbar sein.
Mehr als 320.000 haben gegen die ORF-Gebühren unterschrieben. Wie gehen Sie damit um? Die Menschen, die unzufrieden mit dem ORF sind, sind dies ja meistens, weil sie die Nachrichten unausgewogen finden. Nicht weil der “Tatort“ schlecht ist.
Klar, dass muss man ernstnehmen, wenn Menschen finden, die rund 55 Cent pro Tag sind es nicht wert. Ich führe das ganz und gar nicht auf die Information zurück. Die Zahlen, die wir mit der „Zeit im Bild“ erreichen sind ungefähr zehnmal so hoch wie die nächstgrößere Nachrichtensendung im Privatfernsehen erreicht. Das wir mit der „ZiB2“ erleben ist, dass die Zuschauerzahlen ständig zunehmen. Ich glaube halt, das viele Menschen finden: Nix zahlen ist lässiger als zahlen.
Die türkis-blaue Regierung inszeniert sich perfekt. Wie geht man damit als TV-Journalist um? Brechen? Einordnen?
Professionalität in der Kommunikation ist etwas Positives. Was für uns wichtig ist, ist dass man sich auch den Fragen, die da noch offen bleiben stellt. Wobei: Der Bundeskanzler war jetzt schon öfter in der “ZiB2“ als Werner Faymann (SPÖ) in sieben Jahre Kanzlerschaft. Hartinger-Klein war glaube ich schon drei Mal hier. Und das waren nicht Themen, die extrem angenehm für sie gewesen wären: Zum Rauchen, zur Sozialversicherungszusammenlegung und zur Mindestsicherung.