Kultur

Masse und Macht im Museumsbetrieb

Picasso und Jeff Koons mögen Publikumsmagneten sein, aber Chen Cheng-po? Laut des neuen Publikums-Rankings des Art Newspaper wurde eine Ausstellung des taiwanesischen Landschaftsmalers im National Palace Museum in Taipei vergangenes Jahr täglich von 12.000 Personen besucht. Die Definition von Blockbuster-Ausstellungen, wie sie in Europa üblich sind, sollte angesichts des Kunsthungers in anderen, bevölkerungsreichen Ländern also überdacht werden.

Jedes Jahr lässt das Art Newspaper ein Ranking der bestbesuchten Museen und Ausstellungen erstellen. Auch 2015 dominierten dabei der Louvre in Paris (8,6 Mio. Besucher), das British Museum London (6,82 Mio. Besucher) und das Metropolitan Museum of Art in New York (6,53 Mio. Besucher). Auf Platz vier landeten die vatikanischen Museen in Rom (6 Mio. Besucher) und die National Gallery London (5,9 Mio. Besucher). Auf Platz sechs steht bereits das erwähnte National Palace Museum in Taipei (5,29 Mio. Besucher) - und damit noch vor der prominenten Londoner "Tate Modern" mit 4,7 Millionen Besuchern.

Auch Ausstellungen wurden von dem Recherche-Team gerankt - die Reihung erfolgte allerdings nicht nach absoluten Besucherzahlen, sondern nach der durchschnittlichen Zahl von Besuchern pro Tag. Hier hatten die Gastspiele prominenter (europäischer) Namen, die - innerhalb relativ kurzer Zeit - in asiatischen Städten gezeigt wurden, die Nase vorn. Werke des Impressionisten Claude Monet, die das Pariser Musée Marmottan an das Metropolitan Art Museum in Tokio verlieh, holten rund 10.000 Besucher pro Tag an und belegten Platz zwei nach der die Schau von Chen Cheng-Po in Taiwan. Platz drei der "bestbesuchten" Ausstellungen ging an eine Picasso-Schau in Rio de Janeiro (9,508 Besucher/Tag).

Albertina & KHM

Die unorthodoxe Zählweise katapultierte auch eine unscheinbare Ausstellung der Albertina ins Ranking: "Spurensuche", eine Präsentation von Altmeister-Zeichnungen aus der Sammlung Arthur Feldmann, war von Oktober bis November in den Prunkräumen zu sehen, also dort, wo jeder touristische Besucher des Palais eher aufgrund der opulenten Innenausstattung fast zwangsläufig durchgeht. Die Schau belegte Platz zehn im globalen Ranking der Altmeister-Ausstellungen des Art Newspaper.

Auf Platz drei im selben Ranking landete die Velázquez-Ausstellung des KHM, die mit dreieinhalb Monaten Laufzeit und einer Gesamt-Besucherzahl von 336.424 Personen eher dem Format einer Blockbuster-Schau entsprach. Mit einer täglichen Frequenz von 3,388 Besuchern lag die Ausstellung dennoch unter jenen, die in den Museen anderer globaler Metropolen erzielt wird: Eine Kandinsky-Schau in Rio de Janeiro kam auf 8,292 Besucher täglich, die Jeff-Koons-Retrospektive im Pariser Centre Pompidou auf knapp 5000 Interessierte pro Tag. Manchmal kommt es eben einfach auf die Größe an.