Kultur

Keine friedlichen Wälder mehr

2013 erschien vom niederländischen Geologen Salomon Kroonenberg im Primus Verlag "Warum die Hölle nach Schwefel stinkt".

Schade (schrieb er), dass die Erde nicht durchsichtig sei – sonst würde man auf dem Boden liegen und immerzu schauen.

Naja. Man würde sich wohl angesichts der vielen Leichen übergeben müssen.

Das Problem beginnt "oben", in der sogenannten Landschaft. So unschuldig, so friedlich (wünscht man sich, redet man sich ein ...)

Kein Stein

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Martin Pollack vermag nicht mehr derart kindlich zu denken; und wer sein neues Buch "Kontaminierte Landschaften" gelesen hat – ein Abend genügt, es wird kein schöner Abend –, wird nicht einmal mehr angesichts blühender Bäume und Felder in Wohlbefinden fallen können.

Es ist ein Buch über die Massengräber Europas. (An Afrika, Lateinamerika ... denken wir jetzt gar nicht.)

Eine Wanderungen zu Orten, an denen unbekannte Tote in Massengräbern liegen; und kein Stein, keine Tafel erinnert an sie.

Genau das wollten die Mörder – und in diesem Buch spielt es keine Rolle, ob es Nazis waren oder Kommunisten: Sie wollten ihre Opfer zum Verschwinden bringen, alle Spuren waren beseitigt worden, und in Treblinka blühen die Lupinen.

Viel lieber hätte der preisgekrönte Autor den Toten ihre Namen zurückgegeben und ihre Geschichte – im Südburgenland, wo er lebt, ist ihm das einmal gelungen:

Da schauten eines Tages Füße aus der Erde, und es war möglich, die polnischen Zwangsarbeiter, die von russischen Soldaten erschossen und verscharrt worden waren, dem Vergessen zu entreißen: Stanisław Mędrek und Stanisław Grzanka sind seither lebendig, als lustige Burschen, die Erfolg bei den Mädchen hatten.

Allein in Slowenien werden 600 Massengräber vermutet. In den Wäldern bei Minsk liegen geschätzte 200.000 Tote, in Lemberg wurden 90.000 in Gruben geworfen ... Katyń, Babyn Jar, Rechnitz ... wie lebt man auf den Leichenbergen?

Martin Pollack vernahm die Empörung der Leute, die dort Zwiebel anbauen und nicht wollen, dass gegraben wird. In Auschwitz rief ein Eisverkäufer:"Auschwitz! Ich kann das nicht mehr hören! Ich will Eis verkaufen!" Sein Stracciatella sei sehr gut.

Lange Zeit hatte man idyllische Illusionen aufrechterhalten können. Das ist unmöglich geworden. Jetzt will man auch Landkarten der (durch die Geschichte) verseuchten Landschaften. Die gibt es aber nicht. Haben die Mörder also gewonnen?

KURIER-Wertung: