Malerfürsten mit Fotoapparat
Die Geschichte des Verhältnisses zwischen Fotografie und Malerei wird gern als Chronik eines Verdrängungswettbewerbs erzählt: Da das 1839 erfundene Medium mehr und mehr die Funktion der reinen Abbildung übernahm, so geht die Mär, flüchteten die Maler in romantische Innerlichkeit, in Expression, letztlich in Abstraktion.
Dass es ganz so einfach nicht war, weiß das interessierte Publikum zwar – noch nie aber wurde die Komplizenschaft sogenannter „Malerfürsten“ mit der Fotografie derart pointiert, augenfällig und fundiert vorgeführt wie in der Schau „Faszination Fotografie“, die die Fotohistorikerin Monika Faber für die Orangerie im Unteren Belvedere kuratiert hat (bis 30.10.)
Faber erzählt nicht von Verdrängung, sondern von Ergänzung. Denn wiewohl vor allem Porträtmaler nach der Erfindung der Fotografie um ihr Metier fürchteten, verleibten sich zahllose Künstler die Bildermaschine umgehend als Hilfsmittel für ihre Kompositionen ein.
Doppelgesichtig
Nicht nur bei Schindler, der im Zeitalter der Industrialisierung mit Vorliebe alte Mühlen malte, offenbart die Schau das gern verdrängte Doppelgesicht des 19. Jahrhunderts, in dem Fortschrittsglaube und Geschichtsversessenheit einander bedingten. Im legendären Atelier des Malerfürsten Hans Makart (1840–’84), so wussten Zeitgenossen zu berichten, quollen die Foto-Vorlagen aus allen Schränken, und niemand hätte es gewagt, dem Künstler daraus einen Vorwurf zu machen.
Nackte aus dem Katalog
Bei Studien zu menschlichen Akten, aber auch zu Tieren verließ man sich in der Ringstraßenzeit längst lieber auf Lichtbilder denn bloß auf Zeichnungen: Wie man in der Schau erfährt, war Wien damals ein internationales Export-Zentrum von Nacktfotos, allein der Verleger Otto Schmidt fertigte rund 6500 Stück davon an, Abzüge konnten aus dem Katalog bestellt werden.
Opulente Schinken wie Leopold Carl Müllers „Markt in Kairo“ (1878) oder der Gruftie-Klassiker „Die Seelen am Acheron“ von Adolf Hirémy-Hirschl (1898) werden dabei wie Puzzles zerlegt und entpuppen sich als Resultate eines arbeitsteiligen Prozesses, an dem Profi-Fotografen, Schauspieler und Modelle „von der Straße“ mitwirkten. Überraschend ist etwa, wie detailliert der als „Freiluftmaler“ bekannte August von Pettenkofen 1868 einen Fotografen instruierte, Pferde ins Bild zu bannen: Ein Foto war eben einfacher als Vorlage zu nutzen als ein Tier, das nie stillhielt.
Keine Schummelei
Wie die Kuratorin betont, sei es keinesfalls ihr Anliegen, die Benutzung der Fotografie durch Maler mit einer Wertung zu verbinden: Was letztlich gute Malerei sei, hätten andere zu beurteilen.
Warum das Malen nach Fotos irgendwann als unoriginell oder gar anrüchig empfunden wurde, reißt Faber nur kurz an – die Maler schienen nach 1910 jedenfalls „ihre Unbefangenheit gegenüber der Kamera schlagartig verloren zu haben“, schreibt sie im Katalog. Die zunehmende Verbreitung der Amateurfotografie und die gleichzeitig erhobenen Kunst-Ansprüche einiger Fotografen spielten eine Rolle; die in der Schau vorgestellten Maler sahen Fotografie nie als ebenbürtige Kunst, sondern primär als Hilfswerkzeug an.
Die von Fotos ausgehende „Inspiration“, von der im Titel die Rede ist, zeigt sich daher nur in Spuren – etwa in Gustav Klimts Begeisterung für den Umstand, dass ein Teleobjektiv oder Fernrohr räumliche Tiefe reduziert. Das Feld, das die Schau eröffnet, ist riesig – und kann hoffentlich noch viele solcher Ausstellungen hervorbringen.