Kultur

„Eine Geschichte mit Happy End“

Es war ein ganz besonderer Moment im Leben des Kinderarztes Professor Michael Karplus aus Tel Aviv: Am Donnerstag sah der 76-Jährige im Belvedere zum ersten Mal jenes Bild von Hans Makart im Original, das einst im Schlafzimmer seiner Großeltern gehangen hatte.

„Der Einzug Karls V. in Antwerpen“, eine 2 x 3 Meter große Ölskizze aus dem Jahr 1875, gehörte ursprünglich Valerie Karplus, die im Palais Lieben-Auspitz wohnte, also neben dem Burgtheater in jenem Haus, in dessen Erdgeschoß sich das Café Landtmann befindet.

Emigration

Ihre vier Söhne emigrierten 1936, „weil sie als junge Leute das Gefühl hatten, in Österreich – auch durch den hier verbreiteten Antisemitismus – keine Zukunft zu haben“, erzählt Karplus im KURIER-Gespräch in wienerisch gefärbtem Deutsch.

„Mein Vater sprach nie über seine Zeit in Wien. Das Leben in Israel, damals Palästina, war wie ein neues Blatt in einem Buch. Aber wir haben daheim deutsch gesprochen. Und ich las Karl May in gotischer Schrift.“

Die Großmutter starb nach einem Schenkelhalsbruch im Jänner 1938. „Gott sei Dank noch vor dem Anschluss“, so Karplus. „Denn dann haben die Nazis das Palais beschlagnahmt.“

Eine Geschichte voll der Zufälle begann. „Es wundert mich, wie eines zum anderen kam, und wie es jedes Mal über die Jahrzehnte doch immer irgendwie weiterging“, sagt Karplus. „Eine Geschichte mit Happy End.“

Denn das Makart-Bild hatte zunächst ein Nazi-Anwalt veruntreut, es im Kunsthistorischen Museum restaurieren lassen und dann 1951 ans Belvedere verkauft.

Die Erben-Familie in den USA und Israel dachte, das Werk des Malerfürsten sei bei einem Transport in die USA verloren gegangen.

Durch Zufall erfuhr Karplus’ Vater 1978 von der Existenz des Bildes und korrespondierte mit dem Belvedere in Wien. Aber alle Fristen für die nach dem Krieg erlassenen Rückgabegesetze waren bereits abgelaufen.

„Erst 1998 gab es gesetzlich neue Möglichkeiten“, sagt der auf Kunstraub- und Restitutionsfälle spezialisierte Anwalt Andreas Cwitkovits. Und durch die aufgefundene Inventarliste von 1938 war belegt, dass das Bild einst tatsächlich im Familienbesitz der Karplus war.

Ein klarer Fall auch für den Rückgabebeirat. Karplus freut sich, „dass es ziemlich schnell gegangen ist. In nur zwei Jahren war alles erledigt. Das ist doch fantastisch. Alle – auch die Provenienzforscher im Belvedere – waren sehr bemüht, kooperativ und zuvorkommend. “

Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco hat „den Direktkontakt mit den Erben der Besitzer gesucht“. Durch ein vom Kuratorium genehmigtes Sonderbudget von 400.000 Euro wurde der Ankauf ermöglicht, sodass das Bild jetzt auch rechtmäßig dort ist, wo es sich bereits seit Februar 1951 befindet.

Husslein-Arco: „Es ist ein bedeutender Zuwachs für die weltweit größte Makart-Sammlung im Belvedere.“

Karplus wusste lange nur wenig über seine Familie: „Ein Familienmitglied, die bekannte Malerin Henriette von Motesiczky, die in England lebte, hat uns viel erzählt über das Leben in Wien. Aber es macht mir Freude, jetzt viel Neues zu erfahren und zu sehen, was meine Familie betrifft.“ Am Samstag kehrt der Vater von drei erwachsenen Söhnen, ganz die Ruhe selbst, nach Hause zurück: „Wir leben in Israel. Und man regt sich nicht auf, wenn man in Israel lebt ...“