"Eine Geschichte des Konsumenten"
Viele Wege führen in die Moderne. Aber selten waren die Standpunkte so unversöhnlich konträr wie bei Josef Hoffmann und Adolf Loos.
Dem einen ging es auf der Suche nach einem neuen Stil – mit hohem Qualitätsanspruch und im Glauben an die Kraft der Ästhetik – um langlebige Gebrauchsgegenstände. Hoffmann war überzeugt von der segenspendenden Macht der Schönheit. Stichwort: Wiener Werkstätte.
Der andere verurteilte die neue Form für alte Inhalte und hatte die Vision von neuen Inhalten und einem neuen Menschen. Loos schuf die Grundlage zur Raumökonomie. Bei ihm ist der Innenraum das Primäre, die kubische Form seiner Bauwerke das Resultat.
Die beiden gegensätzlichen Positionen und deren Folgen präsentiert die letzte große Schau zum 150-Jahr-Jubiläum des Museums für angewandte Kunst (MAK):
"Wege der Moderne" (bis 19. April) ist sehr gut in fünf Kapitel strukturiert und holt zunächst weit aus – bei den Anfängen der Aufklärung um 1750. Ehe es von der Überwindung des Historismus über Otto Wagner zu den modernen Lebenswelten geht.
Kurator Christian Witt-Dörring: "Zentrales Thema der Moderne war, dem Individuum eine Stimme zu geben. Aus vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen auswählen zu können, war nicht immer selbstverständlich. So ist die Moderne auch eine Geschichte des Konsumenten – mündig oder aber auch gesteuert."
Impressionen der Ausstellung
Schlafzimmer
Einen "Blick auf die Wiener Moderne in dieser Schärfe gab es lange nicht", sagt MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein und zieht Parallelen zu einst in einer sehr aktuellen Diskussion unter geänderten Vorzeichen im Heute, "einer digital determinierten Zeit". Als wär’s ein Lamento der Gegenwart, machte sich schon Loos in seiner Polemik gegen die "falsche Moderne" über die unreflektierte Verwendung von Glas und Stahl lustig: Dass man die vermeintliche Modernität eines Architekten in Quadratmetern Glas messen könne.
Ein Glanzstück unter den rund 600 Exponaten und der Stolz der Aussteller: Das von Hoffmann entworfene und rekonstruierte Schlafzimmer für Johanna und Dr. Johannes Salzer von 1902, das noch in Gebrauch ist. Ein starken Kontrast dazu: Loos’ eigenes für seine erste Frau Lina extravagant gestaltetes Schlafzimmer ganz in Weiß in seiner Wohnung in der Bösendorferstraße 3.
Die 30 Jahre jüngere Elsie Altmann-Loos schrieb später desillusioniert über diese Ikone der Moderne: "Es muss sehr schön gewesen sein, als es neu war. Mit weißen Piqué-Vorhängen rundherum, die Mauern und Kästen versteckten. Auf dem Ruhebett war eine Unmenge weißer Felle ausgebreitet, die auch den Boden bedeckten. So war das Zimmer, als es neu war. Jetzt waren die Felle schmutzig und von Motten zerfressen und die Vorhänge zerschlissen."
Eine andere Welt
Aber die junge Frau verstand, was der Architekturgott und Bürgerschreck geschaffen hat: "Er benützte Licht als selbstständiges Material. Wenn man eine Loos-Wohnung betrat, befand man sich plötzlich in einer anderen Welt. Die Außenwelt bestand nicht mehr. Jedoch in keiner Wohnung spürte man dies so stark wie in seiner eigenen."
Im Kapitel "Neue Wiener Wege" geht es um den Versuch von Synthesen aus Loos’ und Hoffmanns Ansätzen und die später von Oskar Strnad und Josef Frank sozial geprägte "humanistische Moderne". Am Ende schließlich um die Nachwirkung der Moderne nach 1945 und die Beschäftigung mit den frühen Ideen in der Postmoderne der 1970er- und 80er-Jahre, u. a. in Werken von Hans Hollein und Hermann Czech.
Wie die Moderne erfunden wurde
Ausstellung „Wege der Moderne – Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen“
Wann & Wo Bis 19. 4.; MAK, 1., Stubenring 5; Di. 10–22, Mi.–So. 10–18 Uhr; jeden Di. 18–22 Uhr Eintritt frei
Eintritt € 7,90/ermäßigt € 5,50/Familienkarte € 11. Eintritt frei bis 19 Jahre
Führungen Di. 18 Uhr; Sa. 15 Uhr; So. 15 Uhr: Wege der Moderne Teil 1. und 16.30 Uhr: Wege der Moderne Teil 2. Expertenführungen Di. 20. 1. (18 Uhr), Di. 14. 4. (18 Uhr) mit den Kuratoren Matthias Boeckl und Christian Witt-Dörring
Vortragsreihe 10. 1. (16 Uhr) Hoffmann, Loos und die Folgen – Gespräch mit den Kuratoren M. Boeckl und Chr. Witt-Dörring, Moderation: Isabella Marboe; 24.1. (16 Uhr) Markus Kristan: Loos vs. Hoffmann;
28. 2. (16 Uhr) Friedrich Kurrent: Loos und Hoffmann – Wiederentdeckung; 10. 3. (19 Uhr) Her- mann Czech: Der Loos-Gedanke aus der Distanz von 100 Jahren; 18. 4.(16 Uhr) Werner Neuwirth: Herstellen und Darstellen als architektonische Substanz
Publikation „Wege der Moderne. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen“, Hg. Christoph Thun-Hohenstein, M. Boeckl und Chr. Witt-Dörring; Deutsch/ Englisch, 336 S. MAK Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2015. € 39,60