Den Auftragskiller darf man nicht foltern
Von Peter Pisa
Nehmen wir an, jede Nacht kehrt ein Traum wieder: dass ein Fremder im Sommerhaus ein Fenster einschlägt und ins Schlafzimmer kommt; dass Frau und Katze schlafen, aber man selbst einen leichten Schlaf hat und sieht, wie der Eindringling in der linken Hand eine blendend helle Taschenlampe hält und in der linken ein Messer.
Was machen wir da?
Schreien.
Was macht Louis Begley ("Lügen in Zeiten des Krieges", Schmidt")?
Er hat aus seinem Albtraum einen Thriller gemacht. Seinen ersten im elften Roman.
Einen Thriller, der nicht im Sinn hat, die Leser mit einem "Wer war der Täter?"-Rätsel bei Laune zu halten. Was ein bisschen schade ist.
Einen, dem wichtiger ist, die Folter zu verurteilen, selbstverständlich auch Folter für einen Killer.
Und über den amerikanischen Spruch darf man diskutieren:
"Das Gesetz ist ein Esel."
Narbe links
"Zeig dich, Mörder" ist allerdings eine willkommene Abwechslung zu Begleys vorangegangenen, etwas anstrengenden "Erinnerungen an eine Ehe".
(Damals hatte sich eine ältere Dame aus höherer Gesellschaft ihr Leben zusammengelogen, wonach sie mit einem Monster verheiratet war.)
"Zeig dich, Mörder" spielt wie immer dort, wo sich Begley auskennt: in der Welt der Reichen New Yorks – vor allem bei den Wirtschaftsanwälten.
Er war ja selber einer.
Der 81-Jährige bleibt im für ihn neuen Genre elegant, altmodisch.
Seine Angst hat er selbstverständlich nicht eins zu eins übernommen. Aber sie kommt an zentraler Stelle vor, wenn ein serbischer Auftragskiller im Haus eines gewissen Harry Dana auftaucht. Man glaubt es ja nicht, der Böse hat tatsächlich eine Narbe auf der linken Wange und sagt Sachen wie "Du Stück totes Fleisch, hör auf mit Scheiß!"
Der Killer dreht dessen geliebter Katze den Hals um, dann sorgt er dafür, dass der Hausherr eine Leiter aufstellt und sich aufhängt.
Selbstmord, aha. Und am Tag danach ist zufällig Harry Danas Sekretärin unter die U-Bahn geraten.
Weil aber in Onkel Harrys iPhone die Diktierfunktion eingeschaltet war, hört sein Neffe Jack, was sich den letzten Minuten tatsächlich abgespielt hat.
Achselhaare
Der Onkel war Anwalt, sein wichtigster Klient ein konservativer Politiker mit verbrecherischem Firmengeflecht, und es ist nicht die große Frage, wer hinter dem Mord steckt.
Der Neffe ist ein erfolgreicher Schriftsteller, vor allem aber war er Soldat in Afghanistan. Er ist kampferprobt und provoziert, damit der Killer auch ihm einen Besuch abstattet.
Dann will er ihn umbringen,ganz langsam.
Louis Begley nimmt sich Zeit, um Spannung aufzubauen. Im Buch werden Blaukrabben mit Erbsen gegessen. Auch wird ein Blick darauf geworfen, ob Frauen Haare in den Achselhöhlen haben oder rasiert sind, und wenn es den Autor befriedigt, na, dann ist es in Ordnung.
KURIER-Wertung:
INFO: Louis Begley: „Zeig dich, Mörder“ Übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp Verlag. 302 Seiten. 20,60 Euro.